Atevi 2 - Eroberer
zufrieden aus. Vielleicht hatte er gehofft, der Paidhi würde den fraglichen Sachverhalt als Hirngespinst abtun. Die Mitglieder der Runde tauschten nervös Blicke.
Aber dann meldete sich der Minister für Transport und Verkehr zu Wort und ermunterte Bren, einen Vortrag zu diesem Thema auszuarbeiten. Dann ging man zum nächsten Punkt der Tagesordnung über: Kostenschätzung für den Bau der Raketenbasis. Des weiteren wurde darüber diskutiert, was der Legislative zu empfehlen sei im Hinblick auf das ins Stocken geratene Triebwerk-Projekt. Es gab neue Konstruktionspläne, die die bisher geleistete Arbeit hinfällig machten und damit auch jene Leistungen der Zulieferer, von denen etliche seit längerem schon auf Bezahlung warteten und verständlicherweise den Abgeordneten die Türen einrannten mit offenstehenden Rechnungen.
Was habe ich mir da bloß eingebrockt? stöhnte Bren im stillen. Überlichtgeschwindigkeit zu begreifen und begreiflich zu machen, setzte mathematische Kenntnisse in einem Umfang voraus, den er nicht einmal halbwegs überblickte. Dabei verstand er nicht gerade wenig von Mathematik. Das brachte schon sein Job so mit sich, zumal das Erlernen der atevischen Sprache einer komplizierten Rechenaufgabe gleichkam. Nicht selten war Algebra gefragt, zum Beispiel um die grammatikalisch korrekte Form eines Mengenbegriffs zu ermitteln. Dem atevischen Verständnis nach konnte eine falsch verwendete Form Unglück heraufbeschwören oder beleidigend sein. Bei der Pluralbildung mußte darum peinlich genau auf die jeweils konnotative Teilbarkeit der Mehrzahl geachtet werden. Rechnen und Reden gingen hier Hand in Hand, und wer sich darauf nicht verstand, kam schnell in Bredouille. In der Uni hatte Bren auf die Ergänzungskurse in Mathematik verzichtet, um mehr Zeit für die anderen Fächer zu haben. Jetzt mußte er diese Lücken wohl oder übel zu schließen versuchen.
Doch damit war es bei weitem nicht getan. Falls es ihm denn tatsächlich gelänge, Zugang zu finden zu den für ihn wahrhaft esoterischen Gebieten der höheren Mathematik oder der atevischen Philosophie, wie sollte er dann – in Übersetzung – zum Ausdruck bringen, was den sprachlichen Rahmen sprengte? Für das, was er zu erklären hatte, mußten neue Wörter erfunden und neue Formen entwickelt werden, die nicht nur verstehbar waren, sondern darüber hinaus als glücksverbürgend interpretiert werden konnten.
Das war nun doch etwas zu viel verlangt von einem Menschen, so gut er auch ausgebildet sein mochte.
Der durchschnittliche Ateva war nach wie vor überzeugt davon, daß Computer dämonische Maschinen seien, die am laufenden Band Unglückszahlen produzierten. Nicht auszudenken, was die davon halten würden, wenn jetzt auch noch Zahlen ins Spiel kämen, die Prozesse eines unvollkommen wahrgenommenen Universums beschrieben.
Atevi verlangten Perfektion und absolute Stimmigkeit. Neue Konzepte wurden nur dann akzeptiert, wenn sie sich ins traditionelle Weltbild restlos einfügen ließen – und eine entsprechende Überprüfung konnte mitunter Jahre dauern, weil jeder Amateurphilosoph meinte, seinen Senf dazutun zu müssen, und sei es mit der idiotischen Behauptung, eine Raumrakete könne die Atmosphäre durchlöchern und zum Auslaufen bringen.
Die würden sich wundern, wenn ein unbesonnener Paidhi daherkäme und Überlicht-Physik respektive das Warp-Modell, den Faltenraum, zu erklären versuchte, ohne Rücksicht zu nehmen auf atevische Sensibilitäten. Ein solcher Versuch wäre verheerender als alle Schreckensvorstellung, die die Ankunft des Schiffs hervorgerufen hatte, denn er würde die gesamte Gedankenwelt der Atevi ins Wanken bringen.
Hätte man ihn noch vor wenigen Tagen gefragt, was denn im Austausch zwischen Mospheira und Shejidan auf keinen Fall zur Sprache kommen dürfe, würde er spontan geantwortet haben: das Warp-Modell. Und ausgerechnet das lag nun auf dem Verhandlungstisch.
Nicht alle, mit denen er sich auseinandersetzen mußte, hatten Geigis Format. Im Grunde war ihm der Mann sympathisch. Mit derselben unbekümmerten Risikobereitschaft, die ihn in große finanzielle Schwierigkeiten gebracht hatte, war er auch heute im Ausschuß aufgestanden, um jene alles entscheidene Frage zu stellen. Von allen Widersachern Tabinis war neben Ilisidi Lord Geigi besonders ernst zu nehmen, denn er hatte den Mumm, Probleme anzusprechen auch auf die Gefahr hin, daß ihm selbst nur Nachteile daraus erwuchsen.
Mit dem rechten Wort an passender Stelle
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