Atevi 2 - Eroberer
Horizont entdeckt worden: die neugebaute Raumstation. Und die Astronomen – damals eine bunte Schar aus Wahrsagern und Himmelskundlern – hatten richtigerweise vorausgesehen, daß die Heraufkunft dieses ungewöhnlichen Sterns einen tiefgreifenden, bedrohlichen Wandel nach sich ziehen werde.
Aber weil sie nichts Genaueres hatten vorhersagen können, war ihr Ansehen in der Öffentlichkeit rapide gesunken und, wie jeder Paidhi wußte, nie mehr wiederhergestellt worden. Soweit Bren bekannt war, hatte es keiner seiner Vorgänger jemals gewagt, atevische Astronomie zum Thema zu machen, geschweige denn mit Experten dieser Zunft Kontakt aufzunehmen, denn sie hatten sich wohlweislich davor gehütet, eine eventuell äußerst heikle Diskussion vom Zaun zu brechen. Auch Bren war sich im klaren über das Risiko, daß man ihm möglicherweise Fragen stellte, die um einiges kritischer sein würden als die von Geigi.
Im günstigen Fall würde er bloß Zeit verschwenden, indem er sich mit einer Disziplin beschäftigte, die, weil von der Öffentlichkeit weitestgehend ignoriert, fast nur noch von Schwärmern und Phantasten betrieben wurde.
Aber vielleicht lohnte es sich, gerade diese Leute für sich zu gewinnen, um sie in seinem Sinne mit den Deterministen verhandeln zu lassen. Von denen mußte doch der eine oder andere in der Lage sein, die Geigis dieser Welt eines Besseren zu belehren. Es war nur zu hoffen, daß er nicht ins Fettnäpfchen sektiererischer Querelen treten würde, denn dann ginge der Streit, den er zu verhindern suchte, erst richtig los.
Banichi steckte den Kopf durch die Tür und sah so verdattert aus wie ein Prüfling, der zum Thema Warp-Phänomene examiniert werden soll.
»Ich habe da einen ausfindig gemacht«, sagte Banichi.
»Trinken Sie erst mal was«, entgegnete Bren und lud ihn mit einer Handbewegung ein, im Sessel neben sich Platz zu nehmen. Irgendwo lag immer zumindest eine Dienerin auf der Lauer, und so verwunderte es nicht, daß eine junge Dame vor Banichi auftauchte, ehe er sich gesetzt hatte. Banichi bestellte ein alkaloidhaltiges Getränk, pur, und legte das verletzte Bein auf den Fußschemel.
»Was ist das für einer?« fragte Bren.
»Ein alter Mann. Brillanter Kopf, wie es heißt, aber bei seinen Studenten kommt er offenbar nicht so recht an. Sie bezweifeln, daß er dem Paidhi helfen kann.«
»Banichi, es hat sich über Nacht vieles verändert und es ist mit einem Male überaus wichtig geworden zu wissen, welche Sterne in unserer Nähe sind und wie sich Atevi das Universum vorstellen. Von all diesen Dingen ist mir kaum etwas bekannt. Fragen Sie mich was Leichteres, zum Beispiel was es mit Schlingerwänden in Kraftstoffbehältern auf sich hat oder wie groß die Ladekapazität unserer Flugzeuge ist. Aber was jetzt viel mehr interessiert, sind unsere Nachbarsterne, die nächsten Sonnensysteme.«
»Die Sache mit der Überlichtgeschwindigkeit?«
»Ja. Und ich weiß nicht, wie ich den Atevi begreiflich machen kann, was darunter zu verstehen ist. Bislang fehlen mir die Worte dafür.«
»Wieso? Überlicht soll heißen schneller als Licht<, oder?«
»Es geht um die Beschreibung des physikalischen Phänomens. Die Wörter, die meine Sprache dafür hat, sind sehr unpräzise.«
»Und wenn Sie’s mit unseren Wörtern versuchen? Sie sind doch Übersetzer.«
»Dazu fehlt mir das Vokabular.«
»Ein Wort für schneller als Licht« Banichi war sichtlich irritiert.
»Zur Erklärung der Zusammenhänge, der Zahlen, der Darstellung dessen, was sich in der Natur vollzieht.«
»Ich fürchte, dazu werden Ihnen unsere Astronomen auch nicht viel sagen können. Wie dem auch sei, Sie sind eingeladen, sich mit dem besagten Professor zu unterhalten. Allerdings…«
»Allerdings?«
»Ein solches Treffen könnte zu Spannungen führen.«
»Der Mann, von dem Sie sprachen, ist doch eine angesehene Kapazität, wenn ich richtig verstanden habe.«
»Eine Kapazität, ja. Daß er angesehen ist, habe ich nicht behauptet, Nadi-ji.«
»Verstehen sich die atevischen Astronomen immer noch als Wahrsager? Wir haben Ihren Universitäten eine Fülle von astronomischen Informationen zukommen lassen: über Meßtechniken, Methoden der Datenauswertung und so weiter. Ich bin sicher, daß sich die Zahlen Ihrer Forscher von den auf Mospheira ermittelten Daten kaum voneinander unterscheiden. Was ich wissen möchte, ist, wie sie diese Daten mathematisch aufbereiten. Außerdem wäre ich interessiert zu erfahren, ob es jemanden gibt, der
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