Atevi 2 - Eroberer
konnte ihm nicht folgen. »Schwangere Kalender?«
Bren lachte. »Nein. Ich bin sicher, die richtigen Worte gewählt zu haben.«
Sie erreichten die Wohnungstür. Banichi öffnete mit seinem Schlüssel und überließ Bren der Fürsorge der Dienerinnen. »Nadiin«, grüßte Bren – und an Saidin gewandt, die es sich offenbar zur Pflicht gemacht hatte, den Gast stets persönlich zu empfangen und zu verabschieden: »Nadi-ji.«
»Möchte der Paidhi heute abend auf seinem Zimmer speisen?«
»Das wäre mir sehr recht, vielen Dank.« War es schon so spät? Als sein Blick auf den Tisch im Foyer fiel, sah er die Schale mit Nachrichten und Briefen überquellen. »Gütiger Himmel!« entfuhr es ihm.
»Ist was, nand’ Paidhi?« fragte Saidin.
»Ein Ausdruck des Entsetzens«, erklärte Banichi.
»Tano schaut sich nach Büroräumen um«, sagte Bren. »Und nach Schreibkräften. Ich weiß sonst nicht, wie das alles zu bewältigen ist.«
»Wir könnten Ihnen zur Hand gehen«, meinte Saidin.
»Das ist nett von Ihnen, Daja-ji, besten Dank. Aber wir werden hoffentlich bald genügend Personal haben. Wenn die Telefonverbindungen wieder stehen. Wenn… ach, ich weiß auch nicht.«
»Eine Tasse Tee täte dem Paidhi bestimmt gut.«
»Der Paidhi ist bis zum Kragen voll mit Tee. Ich komme gerade von einer Ausschußsitzung. Etwas Stärkeres wäre mir jetzt lieber. Aber ohne Alkaloide. Wenn ich darum bitten dürfte, Daja-ji. Banichi, ich muß unbedingt mit dem einen oder anderen Mathematiker sprechen. Es ist wichtig. Mit Experten, die sich Gedanken machen über die Gestalt des Raums. Mit Astronomen.«
»Astronomen?« Banichi musterte ihn mit skeptischem Blick, und Bren erinnerte sich: Banichi, der überaus Kompetente in allen Belangen, kam aus der Provinz, wo man Astronomen gegenüber voller Mißtrauen war. Dort fragte man sich – vielleicht zu Recht: Wieso haben die Himmelskundler nicht frühzeitig erkannt, daß Menschen durchs All schwirren? Und warum kommen sie bei ihren Messungen auf unterschiedliche Ergebnisse und Zahlen, die einander widersprechen?
Nach Auffassung mancher betrieben diese Astronomen Ketzerei. Es durfte keine Diskrepanzen geben in den Zahlen, die das Weltall beschreiben. Wer etwas anderes behauptete, bekam es mit den Deterministen und Absolutionisten zu tun.
»Ja, ich fürchte, es muß sein, daß ich mit ihnen spreche.«
So ratlos sah man Banichi äußerst selten. »Es gibt da ein Observatorium auf Berigai im Bergid. Mit dem Flugzeug ist man in einer Stunde da.«
»Viel zu weit. Gibt es denn keine Astronomen an der Universität. Oder irgendein Institut in der Nähe?«
»Doch. Da könnten wir’s versuchen.«
Bren war müde und erschöpft. »Würde es Ihnen etwas ausmachen, dort anzurufen? Ich werde einige Fragen aufschreiben, Fragen zur Überlichtgeschwindigkeit und zu den Einwänden der Deterministen. Wenn Sie bitte in Erfahrung brächten, wer mir darauf antworten könnte…«
»Nein«, sagte Banichi – sollte heißen: Es macht mir nichts aus. Man antwortete auf die gestellte Frage, nicht auf eine implizierte.
Bren ging in den Salon, um seine Fragen zu Papier zu bringen. Eine Dienerin brachte ihm den bestellten Drink. Er wünschte, das Schiff hätte sich gemeldet. Oder seine Mutter. Er nahm das Glas zur Hand und starrte hinaus auf die Berge, deren Spitzen aus dem Dunst über der Stadt emporragten. Hoffentlich, so dachte er, würde es Banichi gelingen, einen Experten für ihn aufzutreiben.
Die Atevi sahen an ihrem Himmel keine Sternbilder, vergleichbar denen, die Menschen schon zu Anbeginn ihres Erdendasein mit viel Phantasie zwischen den Eckpunkten heller Sterne ausgemalt hatten. Anscheinend fehlte den Atevi – mit Ausnahme mancher Bauern vielleicht oder Seeleute – die Neugier für das, was sich am Nachthimmel abspielte. Während die Menschen den Wechsel der Jahreszeiten am Stand bestimmter Sternbilder festmachten, zählten Atevi die Stürme, die vom Meer kamen und wie jedes Jahr um die gleiche Zeit auf Süd drehten.
Daß sie sich nicht so sehr an den Gestirnen orientierten, lag vor allem wohl daran, daß an ihrem Himmel – im Unterschied zu dem der lange verlorenen Menschenerde – nur wenige helle Fixsterne zu sehen waren. Auch auf See kamen sie als Navigationspunkte nur selten in Betracht, zumal Atevi seit alters her fast ausschließlich Küstenschiffahrt betrieben und ihren Kurs anhand stetiger Strömungsverläufe bestimmten.
Immerhin war vor rund zweihundert Jahren jener fremde Stern am
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