Atevi 3 - Erbe
führen, Termine zu verlegen und soviel zu bedenken gewesen, daß ihm der Kopf schwirrte.
Nur gut, daß sich Jasons Stimmung gehoben hatte. Es war, als habe ihm Brens Versprechen über den seelischen Tiefpunkt hinweggeholfen. Jason würde das Meer sehen. Sie hatten vergangene Nacht übers Fischefangen geredet. Nicht von Geigis Kai würden sie ablegen, sondern von einem kleinen geschützten Hafen, der auf der anderen Seite der Bucht lag und im Besitz des Staates war.
»Vielleicht gehen uns Gelbschwänze ins Netz«, hatte er gesagt, obwohl er nicht wußte, ob diese Fische auf ihren Zügen überhaupt die Bucht passierten. Zu den vielen Dingen, über die er informiert sein mußte, zählten Meeresfische ausnahmsweise nicht. Darauf verstand sich Toby.
Auf eine Frage zu diesem Thema hätte der Bruder mit Freuden geantwortet.
Jetzt, nur zwei Tage später, konnte die versprochene Reise beginnen. Banichi und Jago, Tano und Algini standen schon im Foyer bereit.
»Das Gepäck ist schon unterwegs«, sagte Jago. »Der Wagen wartet.«
Gemeint war der U-Bahn-Wagen. Die Sicherheitskräfte waren guter Laune, was auch seine Stimmung auflockerte. Ja, verdammt, zu Hause gab es Ärger, aber damit mußte Toby nun allein fertig werden. Toby war in der Stadt, in der Wohnung der Mutter. Er würde klarkommen, auch ohne daß er ihn, Bren, anrief und beschimpfte. Es war das erste Mal, daß Toby aufgekreuzt war, um der Mutter zu helfen. Früher hatte er sich immer gedrückt, ob bei der Scheidung der Eltern oder als es Schwierigkeiten beim Verkauf der Berghütte gegeben hatte oder zur Beerdigung von Tante Glorias Mann oder… was auch immer. Jetzt sollte sich Toby zur Abwechslung mal um die Mutter kümmern, und vielleicht würden die beiden ja endlich zu der Aussprache finden, die fällig war, seit Toby geheiratet hatte, um von zu Hause wegzukommen, an die Nordküste gezogen, Vater und Großverdiener geworden war. Von der Mutter war ihm Toby immer als Vorbild vorgehalten worden – gut verheiratet, zuverlässig, jemand, den man besuchen kann.
Toby war stets der Mustersohn gewesen, doch ihn, Bren, rief die Mutter an, so oft es Probleme gab. Dann mußte er antanzen; verständlich, denn er wohnte ja in derselben Stadt. Aber selbst dann noch, als er in den Außendienst aufs Festland gerufen worden war, hatte sie ihn und nicht Toby zu Hilfe gerufen. Toby war ja als Familienvater eingespannt, und so hatte sie mehr als nur einmal den Paidhi in Shejidan ans Telefon rufen lassen und gesagt, Bren-mein-Lieber, komm nach Hause und hilf deiner Mama; alles andere ist jetzt nicht so wichtig. Wenn er damals, um Urlaub zu machen, auf die Insel zurückkehrte, wartete sie bereits mit irgendeiner Krise, die ihn, kaum daß er aus dem Flugzeug ausgestiegen war, in Beschlag nahm, so voll und ganz, daß er die Ehe mit Barb ins Auge faßte als eine Möglichkeit, sich von der Mutter abzunabeln.
Es war deren ewige Bedürftigkeit, die das Verhältnis zwischen ihnen fast vollständig ausmachte, ein Zustand, den er kaum mehr ertragen konnte, zumal es sich auch auf seine Beziehung zu Barb auswirkte. Sie wurde ihm nötig, um sich von der Mutter ein wenig absetzen zu können, und so entstand der Gedanke, sie zu heiraten, weil sie als seine Frau in ihren Bedürfnissen Vorrang vor der Mutter haben würde.
Düsterer Gedanke. Ernüchternder Gedanke. Daß er sich über Barb, wenn sie ihn am Flughafen abholte, vielleicht vor allem deshalb so sehr gefreut hatte, weil ihm die Alternative erspart blieb: der Empfang durch die Mutter, die ihn mit einer Liste voller Sorgen begrüßt hätte. Womöglich war dies der eigentliche Grund dafür gewesen, daß sich Barb von ihm getrennt hatte: sein Bedürfnis, wiederaufgebaut und aufgeheitert zu werden, wenn er nach wochenlanger Abwesenheit aus dem Ausland zurückkehrte und eins am allerwenigsten brauchte, nämlich daß ihn andere mit ihren Bedürfnissen belasteten.
Nein, über dieses Ich-habe-nötig- Verlangen war zwischen Erwachsenen keine gute Beziehung zu knüpfen, nicht zwischen Mutter und Sohn und schon gar nicht zwischen Mann und Frau.
Auch nicht zwischen Brüdern.
Und es war an der Zeit, der Mutter beizubringen, daß sie, wenn sie Hilfe nötig hatte, auch bei Toby anrufen konnte, denn der wohnte in Reichweite; und es war an der Zeit, daß Toby sein Verhältnis zur Mutter neu bestimmte. Daran führte kein Weg vorbei. Bren-mein-Lieber konnte nicht, wenn die Mutter rief, nach Hause kommen.
Es sei denn, er würde der Familie zuliebe
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