Atevi 3 - Erbe
aus seinem Amt als Paidhi scheiden, auf die Insel zurückkehren und tun, was von ihm erwartet wurde, so unter anderem eine Ehe eingehen, die nicht funktionieren würde, oder ein Verhältnis zur Mutter aufrechterhalten, das sich nicht besserte. Das einzige, was sich so verbessern ließe, wäre vielleicht seine moralische Standfestigkeit.
Doch das war bei seinem Job nicht zu machen. Es war nicht, was andere, gleichfalls wichtige Personen ihm als Aufgabe anvertraut hatten, eine Aufgabe, die wichtiger war als seine persönlichen Probleme. Lieber sollte er, auch wenn es der Familie weitere Schwierigkeiten bereiten würde, Bruder Toby auf den Bedarfsnotstand mütterlicherseits ansetzen und ihm der Fairness halber gleich zu Anfang raten, wie zu vermeiden wäre, daß er sich von ihr ganz vereinnahmen ließ.
»Bren-ji?« fragte Jago, als er in den Fahrstuhl stieg.
»Müde«, sagte er. »Ich bin einfach nur müde, Jago-ji?« Schwer fiel ihm sogar das Lächeln. »Die Woche Urlaub kommt gerade recht.«
Banichi setzte den Fahrstuhl in Bewegung, der sie hinunterführte in die gekachelte Höhle tief unten im Bu-javid, den nur einigen wenigen Personen zugänglichen U-Bahnhof.
Der Weg zum Gleis war nicht weit, für Jason aber dennoch die größte Strecke, die er seit seiner Ankunft hier an einem Stück zurückzulegen hatte.
»Alles in Ordnung?« fragte Bren, als er den jungen Kollegen einen kleinen Moment lang zögern sah.
»Ja«, antwortete Jason, und die beiden gingen, von Banichi und Jago angeführt und mit Tano sowie Algini im Gefolge über den Bahnsteig, an der Zugmaschine vorbei zu den beiden Waggons, die für sie bereitstanden.
»Nadi?« Banichi bat sie einzusteigen und folgte mit Jago hinterdrein, während Tano und Algini zum Gepäckwagen weiter durchgingen.
»Am bequemsten ist es auf dem Platz dort hinten«, sagte er zu Jason und erinnerte sich, daß er ihm diesen Rat schon damals gegeben hatte, als sie nach der Landung im selben Wagen zum Bu-javid gefahren waren. Sie nahmen ihre Sitze ein. Jago stand mit eingeschaltetem Taschen-Kom an der Tür und verständigte sich anscheinend mit der Fahrdienstleitung.
Dann ging die Tür zu, und der Zug setzte sich in Bewegung.
Jason waren Nervosität und erwartungsvolle Anspannung deutlich anzusehen, als der nach allen Seiten hin abgeschottete Privat-Waggon bergab rollte und durch eine Stadt, die er bislang nur von den Fenstern seiner Unterkunft ausgesehen hatte und einmal aus der Luft.
»Nervös, Nadi?«
»Nein, Nadi«, antwortete Jason prompt. Er hatte die Hände auf die Knie gestemmt, um sich gegen das leichte Schaukeln des Wagens abzustützen.
Bren konnte nur ahnen, wie dem jungen Mann unter dem Eindruck so vieler neuer Sinnesreize zumute sein mußte, der holpernden Bewegung, der verschiedenen Gerüche und Geräusche.
Für einen Raumfahrer waren manche dieser Reize womöglich beängstigend oder zumindest alarmierend. Um ihn zu beruhigen, zeigte sich Bren wohlig entspannt; er legte die ausgestreckten Beine übereinander und redete nur das Nötigste. Doch Jasons Augen gingen hektisch hin und her, so oft es für ihn verdächtig laut rumpelte, und jählings schreckte er zusammen, als die Fahrgeräusche mit einem Schlag in eine andere Tonlage sprangen.
»Wir haben den Tunnel hinter uns gelassen und fahren jetzt über offenes Land«, erklärte Bren.
Jason ahnte vielleicht, daß er überreagierte und in seiner Ängstlichkeit lächerlich wirkte. Jedenfalls traute er sich nicht, darauf zu sprechen zu kommen, zumal abgemacht war, daß sie während dieser Reise ausschließlich ragi sprechen wollten. Und er hatte Bren versprechen müssen, notfalls auch auf ragi zu schreien, wenn der Wagen von den Schienen spränge. Auch wenn der Vorsatz nicht durchzuhalten wäre, hoffte Bren mit dieser Maßnahme zu erreichen, daß sie Jason sprachlich weiterhelfen und von seinen selbstquälerischen Gedanken ablenken mochte, zumindest so weit, daß man wieder vernünftig mit ihm reden konnte.
Der Wagen rumpelte und schaukelte dem Flughafen entgegen.
Eine glückliche Familie auf dem Weg ans Meer, dachte Bren mit Blick auf den katatonisch steif dahockenden Kollegen und die schwerbewaffneten Sicherheitskräfte im schwarzen Leder mit silbernen Beschlägen.
»Der Urlaub war wirklich fällig«, meinte Banichi grinsend, reckte den riesenhaften Körper und seufzte zufrieden. Auch wenn er zurückhaltend darauf verzichtete, die gut bestückte Cocktailbar in diesem vom Aiji zur Verfügung gestellten
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