Atevi 3 - Erbe
wie der Atevi.
Tabini verlieren? Es käme zu einem Blutbad, das beispiellos in der Geschichte wäre.
Die Konservativen auf Mospheira außer Kontrolle geraten lassen?
Die Folgen wären die gleichen.
Die Geschehnisse des Tages hatten ihn schrecklich mitgenommen, was er sich nunmehr eingestehen mußte. Er hatte eine rasante Schußfahrt riskiert und war mal hierhin, mal dorthin gesprungen, bis er am Ende selbst nicht mehr wußte, wohin die Reise ging: Der Ort, an dem er gewesen war, existierte nicht länger. Es gab kein Zurück in die atevische Vergangenheit. Mit der mospheiranischen Regierung, die ihn hierher geschickt hatte, ließ sich nicht verhandeln. Fast entmachtet waren diejenigen, denen seine Loyalität galt.
Daß es beinahe zu einem Zusammenstoß in der Luft gekommen war, hatte nichts weiter zu bedeuten, war bestimmt ein Zufall. Er brauchte sich um seine Sicherheit keine Sorgen zu machen.
Die Handfläche schrumpelte. Er mußte raus und frische Luft atmen. Mit den anstehenden Problemen hatte er nichts zu tun. Der Abendtisch wartete. Bestimmt ein vorzügliches Essen, zubereitet von einem Koch, der genau wußte, was dem Paidhi zuträglich war und was nicht.
Er drehte das Wasser ab und trat in kühlere Luft hinaus, worauf er sogleich in ein dickes Handtuch gewickelt wurde. Weil das Personal ausschließlich weiblich war, hatte er verlangt, daß ihm hier im Bad nur eine der älteren, mütterlicheren Bediensteten zur Hand ging.
Doch als er sich das Wasser aus den Augen wischte, sah er nicht etwa eine Dienerin, sondern Tano, der sich, wie schon während der Reise, persönlich um ihn kümmerte. Bren dachte bei sich, daß er dessen Hilfe besser ausschlagen sollte. Der Mann hatte heute mehr gearbeitet als er an zwei Tagen.
Andererseits, da Tano nun schon einmal hier war, konnte er ihn fragen…
Nein, verdammt, nein. Er wollte sich nicht nach dem Inhalt der anderen Nachrichten erkundigen; es waren wahrscheinlich ohnehin nur unangenehme. Er war unterwegs jederzeit über eine geheime Funkfrequenz erreichbar gewesen, und sein Personal (bestehend aus siebenundvierzig Bürokräften und einem fähigen Vorsteher) hätte ihn bestimmt informiert, wenn etwas Wichtiges oder Dringliches für ihn angekommen wäre, zum Beispiel Telegramme oder Anrufe in fremder Sprache.
Mit weiteren Überraschungen war fürs erste nicht zu rechnen. Einen geruhsamen Abend, ungestört schlafen und dann wieder zurück zur Routine – mehr wollte er nicht. Den Kollegen Jason Vokabeln abfragen. In den Gärten Spazierengehen – gut bewacht, versteht sich.
Er ließ sich in weitere, wärmende Handtücher einwickeln – eine menschliche Unart, die viele Atevi mittlerweile übernommen hatten, obwohl das traditionelle Abreiben mit grobem Leinen wohl auch noch praktiziert wurde. Später stieg er in bequeme Slacks, zog ein Hemd an, schlüpfte in einen kurzen Morgenmantel mit weiten Ärmeln und war so durchaus passend gekleidet fürs Abendessen in privater Umgebung. Das frottierte Haar hing, noch ein wenig feucht, auf die Schultern herab, was einem Herrn oder einer Dame seines Standes in den eigenen vier Wänden und in Anwesenheit vertrauten Personals gestattet war.
In der Tür zum Bad tauchte ein Schatten auf. Jason, ohne Mantel, mit dunklem Hemd. Sein dunkles Haar war in einem halben Jahr gerade lang genug gewachsen, um geflochten werden zu können. Er hatte es im Nacken zusammengefaßt, doch lose Strähnen fielen ihm ins Gesicht. Seltsam, daß ihn die Dienerinnen in dieser Aufmachung aus seinem Zimmer hatten gehen lassen. Womöglich – besorgniserregender Gedanke – hatte er sich über ihren Rat hinweggesetzt.
»Geht’s gut?« fragte Bren betont heiter und versuchte, den düsteren Blick des anderen nicht ernst zu nehmen. »Man hat sich schon gefragt, wo Sie wohl stecken mögen, Nadi.«
»Wo könnte ich schon sein, wenn nicht hier?« entgegnete er in seiner Muttersprache und mürrisch. Was für ein Empfang! »Wie war die Reise?«
»Sehr gut«, antwortete Bren, unbeirrt heiter und weiterhin auf ragi, denn es war, um möglichst rasche Lernerfolge zu erzielen, abgemacht, daß sie sich ausschließlich in der Sprache ihrer Gastgeber unterhielten und auf Mosphei’ gänzlich verzichteten. »Wie ist es Ihnen ergangen, Nadi-ji?«
»Ganz gut.« Jetzt sprach auch Jason Ragi. »Wie ich höre, hat es auf der Halbinsel Schwierigkeiten gegeben.«
»Saigimi. Ja. Übrigens, das Hauptwort war passend gewählt. Sie haben also davon gehört.«
»Nur sehr
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