Atevi 3 - Erbe
mehr viel, und ich kann Sie bei Hofe präsentieren.«
»Soweit bin ich nicht.«
»Aber fast. Und das ist die Wahrheit. Soviel von meiner Seite. Was haben Sie mir zu sagen?«
Nach kurzem Zögern: »Mein Vater ist gestorben.«
Bren glaubte, nicht richtig gehört zu haben. »Um Himmels willen, wann?« Und woher wußte Jason Bescheid? Sooft sich das Schiff meldete, standen im Haus alle Zeichen auf ›habt acht‹. Doch davon hatte er nichts bemerkt.
»Vor vier Tagen. Ich weiß es von Yolanda. Es war mir nicht einmal möglich, meine Mutter anzurufen. Die Sicherheit hat’s mir verboten, weil Sie entsprechende Anweisungen gegeben hatten, und ich konnte Sie nicht erreichen.«
Das war also der Grund seiner Wut über den fehlenden Kontakt zueinander. Deshalb hatte er das Gespräch vor dem Abendessen so abrupt abgebrochen.
»Verdammt, Jason, was soll ich sagen? Es tut mir leid.«
»So was passiert nun mal. Er war… war bei der Arbeit…« Mit zitternder Hand hob er sein Glas und trank. »Es war ein Unfall. Yolanda hat mit dem Schiff gesprochen und alles erfahren. Sie dachte, ich wäre benachrichtigt worden. Sprach mir ihr herzliches Beileid aus. Tja…« Er stellte das Glas vorsichtig ab. »Ich habe sie nicht zurückrufen können. Das war vor vier Tagen, und ich konnte Sie nirgends erreichen. Das heißt, ich habe mich noch nicht mit dem Schiff in Verbindung setzen können.«
Bren mußte einiges an seiner Einschätzung von Jason revidieren angesichts dieser Vorstellung, die so kühl und besonnen wie kämpferisch war: So, das ist, was ich weiß, und jetzt will ich, verdammt noch mal, von diesem Planeten runter!
Kein Wunder, daß sich Jason in den vergangenen Tagen in seine Sprachlektionen hineingekniet hatte, zwischen Hysterie und Fühllosigkeit schwankend. Er sprach jetzt auf ragi, und das mit ruhiger Selbstbeherrschung.
»Jason. Ich hatte ja keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, warum mir nicht Bescheid gegeben wurde. Oder warum Ihnen kein Anruf vom Schiff durchgestellt worden ist. Das werde ich mir noch erklären lassen. Es tut mir schrecklich leid.«
Die Gesichtsnerven waren unter strenger Kontrolle, wie auch die von Jason. Bren fürchtete vergessen zu haben, wie Menschen in einem solchen Fall reagieren, wie sie ihr Mitgefühl auch im Gesicht zum Ausdruck bringen.
»Jason.« Er schaltete auf mosphei’, nahm wie ein Schauspieler eine Rolle an und setzte bewußt eine Miene auf. »Ich werde herausfinden, warum ich nicht informiert worden bin. Daß man dich nicht in angemessener Form unterrichtet hat, wird den Atevi mit Sicherheit unangenehm sein.«
»Wen könnte denn hier mein Kummer rühren?«
»Unser Personal.«
»Ach ja, ich seh schon alle in Tränen ausbrechen.«
»Nein.« Bren mochte sich auf diese bittere Bemerkung nicht einlassen. »Damit wäre auch niemandem gedient. Verzeih, ich hab dich hängenlassen, und das tut mir leid. Ich wünschte, ich wäre zur Stelle gewesen. Aber jetzt bin ich da. Kann ich irgendwas für dich tun?«
»Nein. Ich konzentriere mich auf meine Studien.« Jasons Ton war leicht, sein Blick abgelenkt. Vom wehenden Vorhang vielleicht. »Was bleibt mir anderes übrig?«
»Wie geht es deiner Mutter?«
Eine kurze Pause. Dann, verhalten: »Keine Ahnung.«
»Verdammt, ich verspreche dir, das mit dem Telefonieren werde ich regeln.«
»Ich würde gern mit meiner Mutter sprechen. Privat. Wenn du das einrichten könntest.«
Bren wußte nicht, was er sagen sollte. »Ich werde sehen, was sich machen läßt. Sobald als möglich. Willst du noch diese Nacht mit ihr sprechen?«
»Wenn sie schon schläft, möchte ich sie lieber nicht stören.« Klugerweise hatte das Schiffsvolk seinen Tag-Nacht-Rhythmus der Zeitzone von Mospheira-Sheji-dan angepaßt. Für einen Anruf wäre es eigentlich noch früh genug gewesen, doch darauf wollte Bren nicht weiter eingehen.
Ausrede, dachte er und fragte sich, was dahinterstecken mochte, fand aber keine plausible Antwort. Was ihn ärgerlich machte. Und er wunderte sich über diese Reaktion. Er glaubte nicht, daß sein Ärger auf Jason zielte. Oder auf das Personal. Vielleicht rührte er noch von der Schilderung seiner eigenen Familiensituation.
Aber er konnte nicht mit Bestimmtheit sagen, warum er sich ärgerte oder auf wen er ärgerlich war. Eine Dienerin kam herein, zaghaft, und auf ein flüchtiges Handzeichen von ihm schenkte sie beiden einen zweiten Drink ein.
Als die junge Frau wieder gegangen war, sagte Jason auf ragi: »Ich nehme mein Glas mit auf
Weitere Kostenlose Bücher