Atevi 3 - Erbe
manchmal eine solche Möglichkeit zumindest angedeutet.«
»Wenn man an Geister glaubt.«
»Ah.« Unter Atevi war dieser Glaube keine Seltenheit.
In der alten Welt der Machimi-Spiele glaubten sogar sehr viele daran. Bren war sich aber ziemlich sicher, daß Tano und Algini mit übernatürlichen Vorstellungen nichts im Sinn hatten.
Auf seine ruhige Art sagte Algini: »Außerdem werden die Hinterbliebenen diejenigen bestrafen, die für den Tod des Verstorbenen möglicherweise verantwortlich sind. Das macht den Glauben an Geister nicht unbedingt notwendig. Früher hat man allerdings auch Tote zur Verantwortung gezogen.«
Bren war sehr interessiert. Es erklärten sich ihm nun manche Machimi-Spiele, in denen viel Aufhebens gemacht wurde um die Verehrung beziehungsweise Verachtung bestimmter Monumente oder Gebeine.
Doch es war keine Lösung des anstehenden Problems. »Jason ist verärgert, weil er sich nicht mit seinem Zuhause in Verbindung setzen und nachfragen kann, wie es seiner Mutter geht.« Es empfahl sich, Fragen durchweg positiv zu formulieren, denn wenn ein Ateva Anlaß zu der Vermutung hatte, daß man eine abschlägige Antwort erwartete, tat er einem diesen Gefallen gern. »Wären Sie als Sicherheitsexperten alarmiert, wenn ein Ateva, den Sie zu schützen haben, in einer Situation wie Jason steckte?«
»Wenn der Tod einer dritten Person anzulasten wäre, ja«, antwortete Algini. »Dann hieße es: wachsam sein.«
»Auch dann, wenn durch den Tod fundamentale Man’chi-Beziehungen aufgelöst würden«, ergänzte Tano. »Wenn sich zum Beispiel ehrgeizige Cousins anschickten, das freie Man’chi auf ihre Linie zu übertragen. Daran könnte die ganze Familie zerbrechen.«
»Würde er…« Bren kannte die beiden gut genug, daß er es wagen konnte, delikate, normalerweise diskret übergangene Fragen zu stellen. »Würde ein Ateva unter solchen Umständen den besagten Cousins gegenüber tatsächlich ein Man’chi empfinden, falls es denen gelingen sollte, die Führungsposition des verstorbenen Vaters auf ihre Linie zu übertragen?«
»Nicht unbedingt«, antwortete Algini und zeigte, was selten bei ihm zu sehen war, einen dunklen Schatten im Ausdruck.
Bren war gewarnt; womöglich hatte er einen Punkt berührt, der für Algini mehr als bloß hypothetische Bedeutung hatte. Oder vielleicht reichte seine Frage in allzu heikle Bereiche atevischer Befindlichkeit. Also hielt er sich zurück.
Weil es dringend geboten war, die Beschützer Jasons zu informieren, sagte er: »Jason würde gern aufs Schiff zurückkehren, um sich vom Wohlergehen seiner Mutter zu überzeugen. Was natürlich nicht möglich ist. Er sagt, daß es ihm aber nicht einmal möglich gewesen sei, mit dem Schiff zu sprechen, weil er die Sicherheit nicht habe passieren und mich deshalb nicht um Erlaubnis habe bitten können. Über die Gründe kann ich nur Mutmaßungen anstellen. Er ist eine äußerst pünktliche und gewissenhafte Person. Vielleicht bringt das ein Leben im Weltall so mit sich. Ich weiß nicht. Es könnte sein, daß er sich in seinem emotionalen Aufruhr nicht getraut hat, mit einem Ateva zu sprechen. Davor habe ich ihn nämlich ausdrücklich gewarnt. Vielleicht hat er deshalb der Sicherheit nicht begreiflich machen können, wie wichtig für ihn ein Anruf im Schiff ist.« Es war ihm ein unangenehmer Vorgang, menschliche Gefühle so fein zu würfeln, daß sie ein Ateva logisch nachvollziehen konnte. »Womöglich war er schon im Vorfeld nervlich übermäßig angespannt gewesen, erschöpft von der anstrengenden Vokabelpaukerei oder verärgert über meine Abreise. Und in dieser Verfassung hat er dann einen derart schweren emotionalen Schlag hinnehmen müssen, war dabei allein, beschäftigt mit einer fremden Sprache, umgeben von fremden Gesichtern und durch mich dazu angehalten, gegenüber Atevi niemals emotional zu reagieren.«
»Aha«, sagte Tano und gab sich – wie Algini – verständnisvoll.
»Bedenken Sie, daß er ein Menschenwesen ist«, sagte Bren. »Es ist zwar kein Man’chi, was er empfindet, aber doch etwas für Menschen ebenso Zentrales. Bedenken Sie, daß er unter extremer Anspannung steht und Mühe hat, gelassen zu bleiben. Ich habe allerdings ein paar ernste Fragen, was seine Leute an Bord des Schiffes angeht. Mir drängt sich der Verdacht auf, daß sie ihn womöglich auf üble Weise hintergehen. Ich möchte wissen, ob das Schiff Kontakt mit ihm aufzunehmen versucht hat; wenn ja, will ich wissen, bei wem die Nachricht
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