Atevi 3 - Erbe
zu nennen, aber er hat sein Leben riskiert bei dem Versuch, mich in eine günstigere Position zu bringen. Oder was auch immer ihn geritten haben mochte. Jedenfalls habe ich seine Hilfe nicht nötig gehabt.«
Ein kluger Mensch hielt jetzt den Mund. Bren senkte den Kopf und preßte die Lippen aufeinander. Er wußte, daß sie ihm ‘ne Vorstellung boten.
Dann schreckte er innerlich zusammen, als ihm plötzlich durch den Kopf ging, daß die beiden womöglich dabei waren, Details von den Ereignissen des Tages preiszugeben, und bezug auf einen Mord nahmen, für den sie – verdammt noch mal – ganz persönlich verantwortlich waren.
Wer hatte geschossen? Auf wen?
Jago? Um Banichi zu retten? Hatte Jago jemanden umgebracht?
Lord Saigimi?
Oder seine Leibwache? Das wäre eine peinliche Schlappe, Mangel an Finesse. Darüber würde Banichi keine Witze reißen. Und wäre Tabini überhaupt damit einverstanden, daß sie solche Dinge vor dem Paidhi ausplauderten?
Banichi streckte die Beine aus und nippte an seinem Glas.
»Bren-ji, wie gesagt, Sie sollten sich in acht nehmen.«
»Ich bin froh, daß Sie beide in Sicherheit sind.«
Banichi schmunzelte. »Wir fragten uns: ›Da fehlt doch was?‹, und Jago meinte: ›Unser Leben ist so langweilig geworden; wir sollten Nadi Bren auf suchen.‹ Also sind wir zurück über die Mauer gestiegen und haben die erste Maschine nach Shejidan genommen.«
Nicht auf dem Marid-Flughafen, erriet Bren.
»Es freut denn, Sie wiederzusehen, und man hofft, Sie werden bleiben.«
»Man hofft.« Banichi rückte einen Fußschemel vors Feuer, legte seine Füße darauf und lehnte sich, das Glas in der Hand, zurück.
»Sie werden Ihnen doch nicht auf den Fersen sein, oder?«
Ein verwundeter Blick aus goldenen Ateviaugen. »Wer?«
»Die, über deren Mauer Sie gestiegen sind.«
»Ah, ich verstehe.«
»Nein«, antwortete Jago geradeheraus. »Gegen Gildenmitglieder kann man keine Absichtserklärung ablegen, Bren-ji. Gewisse Privilegien läßt sich die Gilde nicht nehmen.«
»Es erübrigt sich, wohl zu sagen«, fügte Banichi hinzu, »daß all diejenigen, die für Stabilität zu sorgen haben, besondere Vorsicht walten lassen sollten.«
Banichi meinte wohl ihn. Oder Tabini.
»Das Projekt.« Bren mußte unwillkürlich an die vielen entlegenen, verstreuten Betriebe denken. »Hat man auch dessen Schutz im Auge? Selbst ich sehe da etliche verwundbare Stellen.«
»O ja«, antwortete Banichi. »Alle relevanten Anlagen werden strengstens bewacht. Was aber nicht unmittelbar zu unseren Aufgaben gehört.«
Bren lief es kalt den Rücken hinunter bei dem Gedanken an Sabotage. »Nadiin-ji, es steht unendlich viel auf dem Spiel. Ich weiß nicht… ja, ich weiß nicht, ob ich der Gilde begreiflich machen kann, wie folgenschwer kleinste Fehler der Möglichkeit nach sind. Ich bin Übersetzer und weiß so einiges als jemand, der von der Insel stammt und die Geschichte der Menschen kennt… glauben Sie mir, Nadiin-ji, es ist ungemein wichtig. Aber leider habe ich es noch nicht vermocht, eine ausreichende Anzahl von Leuten davon zu überzeugen. Wie ich haben alle Paidhiin vor mir stets zwei Dinge als oberstes Ziel vor Augen gehabt: den Frieden und das Projekt. Darauf bezog sich all unser Tun und jeder Ratschlag an die Atevi – auf den Frieden und das Projekt, womit wir zurückgewinnen wollen, was durch den Krieg und die Preisgabe der Raumstationen verlorenging. Ein einziger Sabotageakt, eine kleine Nachlässigkeit – und das Shuttle, das wir bauen wollen, kommt womöglich nie zustande. Die Menschen da oben in ihrem Schiff, die können uns unsere Zukunft nicht bauen, Nadiin-ji. Sie würden’s nicht einmal wollen. Ich wiederhole: Für die Atevi steht unendlich viel auf dem Spiel.«
Banichi schien etwas weniger entspannt als noch vorhin. So auch Jago.
»Ja, es gibt Spannungen«, sagte Banichi. »Aber warum machen Sie sich Sorgen, nand’ Paidhi. Fürchten Sie bestimmte Gefahren oder allgemeine?«
»Es ist so, Banichi: Wenn das Projekt scheitert, wird es so bald nicht wieder neu aufgelegt werden können, und dann sehe ich für die Zukunft der Atevi schwarz. Damit es dazu nicht kommt, bin ich hiergeblieben; deshalb gehe ich nicht nach Mospheira zurück, selbst dann nicht, wenn mich meine Regierung zurückruft. Ich würde nicht einmal meiner Familie wegen gehen.«
Er merkte, daß er unwillkürlich auf den Duktus seiner Rede vor den Fabrikarbeitern eingeschwenkt war und daß sich dabei wieder dasselbe Gefühl
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