Atevi 3 - Erbe
wischte den Tisch, auf dem er nun schon über ein halbes Jahr in dieser historischen Wohnung gestanden hatte; eine kam mit einer schmuckvollen Porzellanvase, um damit die freigewordene Stelle zu zieren, und eine dritte Dienerin trug das beanstandete neumodische Stück in die Küche, wo man es in einem Töpfeschrank versteckte, den der Atigeinische Lord gewiß nicht inspizieren würde.
Aber die Kästen, in denen Gemüse und Fleisch auf Vorrat gehalten wurden, würden, wie Bren vermutete, wohl einer kritischen Prüfung unterzogen werden. Und es gab, was gar nicht dorthin gehörte: Tomatensoße. Der Koch hatte sie mit seinen außerordentlichen Überredungskünsten durch den Zoll gebracht (vielleicht, dachte Bren düster, sollte der Koch auch mit George Barrulin im Präsidialamt verhandeln; womöglich hatte er mehr Glück). Wie dem auch sei, auch diese anstößigen, von der Insel importierten Konserven mußten versteckt werden. Es wäre auch möglich gewesen, sie ganz aus der Wohnung zu schaffen, doch dann hätten sie bei der Rückholaktion durch die Sicherheitskontrolle gemußt, denn alle Wareneingänge wurden gründlich untersucht.
Bren und Jason sahen zu, wie der Wäscheschrank aufgeräumt wurde. »Es könnte ja sein, daß der Onkel auch da seine Nase hineinsteckt«, sagte Bren. »Auch unters Bett?«
»Wer weiß?« Bren erklärte dem Kollegen die heiklen Beziehungen zwischen Tatiseigi und Tabini, die in gewisser Hinsicht geradezu amüsant erschienen, tatsächlich aber äußerst ernst zu nehmen waren, weil durch sie die Zukunft der Atevi und Menschen mitentschieden wurde. »Fertig?«
»Hamatha ta resa Tatiseigi-dathasa.«
»Perfekt.«
Jason hatte fleißig geübt, so daß ihm der Zungenbrecher – Seiner Lordschaft ein glücklicher Willkomm – flüssig über die Lippen kam.
»Und wo ist die Tomatensoße jetzt?« fragte er.
»Im Bett des Kochs«, antwortete Bren.
Jasons war schon den ganzen Tag schrecklich nervös und zeigte sich mal panisch, mal humorig. Er lachte und sah dabei verzweifelt aus. »Ich schaff’s nicht, Bren. Ich schaff’s einfach nicht.«
»Aber sicher doch.«
Onkel Tatiseigi hatte am Morgen über Damiri-Daja ausrichten lassen, daß er beide Menschen, die als Gäste in seiner Residenz weilten, kennenzulernen wünschte. Der Alte war entweder bloß neugierig, oder er wollte aus der Anwesenheit der Menschen einen Streitfall machen und in dieser Sache gegen Damiri beziehungsweise Tabini zu punkten versuchen.
»Wenn er das Wort an dich richtet, hör aufmerksam zu und antworte in der Kindersprache. Dann wird er nicht gleich über dich herfallen.«
»Was soll das heißen?«
»Bleib einfach ruhig. Mit Kindern oder denjenigen, die wie Kinder sprechen, wird kein erwachsener Ateva über numerologische Fragen diskutieren. Auch wenn du schon viel besser sprechen kannst, halte dich lieber an das Athmai’in. Glaub mir und laß dich nicht ins Bockshorn jagen.«
»Ich weiß nicht, wie ich das schaffen soll.«
»Üben, üben, üben.« Im Eingangsbereich wurde es laut. Von Jason dicht gefolgt, ging Bren nach draußen, warf einen Blick in die Halle und sah sich einer Wand von Atevi gegenüber, die mit Kameras, Strippen, Scheinwerfern und allem, was sonst noch dazugehörte, ausgerüstet waren. Der Fernsehapparat mußte, weil in diesem Haushalt fehl am Platz, verschwinden; doch es kamen die Fernsehmacher, um für das Bu-javid-Archiv den Empfang zu dokumentieren und Aufnahmen zu machen von dem restaurierten Lilienfries, dem Emblem der Atigeini. Ja, diese Bilder wollte sogar der Onkel im ganzen Land übertragen wissen.
Tabini hatte längst für sich entdeckt, wie nützlich das Fernsehen sein konnte. Er nannte es ›die Welt in der Kiste‹, die den Zuschauern vorgaukelte, daß die Wirklichkeit sei, was auf dem Bildschirm zu sehen war. Und das machte sich Tabini hemmungslos zunutze; er achtete darauf, daß Bilder ausgestrahlt wurden, die ihm zupaß kamen. Und nun wollte endlich auch Tatiseigi von diesem Medium Gebrauch machen, um den Anschluß an diese neue Technik nicht zu verpassen.
Im Vorraum zum historischen Speisesaal wurde eine Interview-Ecke eingerichtet, und an diesem Abend würde landauf, landab Kenntnis genommen vom Atigeinischen Haus, das den Aiji zu Gast hatte, der mit der Hausherrin eng verbunden war und mit ihr womöglich demnächst einen Stammhalter zeugen würde. Der Öffentlichkeit wurde die seltene Gelegenheit geboten, Einblick in eine der Residenzen des Bu-javid zu nehmen, in eine
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