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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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zurück, die Augen geöffnet, aber an die Decke gerichtet. Zweimal zuckten seine Mundwinkel, als lächelte er; einmal erschauerte er, als jagte ihm etwas Angst ein. Savn überlegte, an was er wohl dachte. Er wollte eben fragen, da senkte Vlad plötzlich den Kopf und sah ihn geradewegs an.
    »Neulich wolltest du mich etwas über die Hexenkunst fragen.«
    »Nun, ja«, sagte Savn. »Warum –«
    »Was hältst du davon zu lernen?«
    »Lernen? Du meinst, wie man, äh –«
    »Wir nennen es Beschwörungen sprechen, genau wie bei den Zauberern. Hast du Interesse?«
    »Daran habe ich noch nie zuvor gedacht.«
    »Dann tu es jetzt.«
    »Wieso würdest du es mich lehren wollen?«
    »Es gibt Gründe.«
    »Ich weiß nicht.«
    »Offen gesagt überrascht mich dein Zögern. Es wäre mir nützlich, wenn jemand gewisse Beschwörungen kennen würde. Das mußt nicht du sein; ich hatte nur gedacht, du wolltest es. Ich könnte jemand anderen finden. Vielleicht einen der jungen Männer –«
    »Also gut.«
    Vlad lächelte nicht; er nickte nur leicht und sagte: »Gut.«
    »Wann sollen wir anfangen?«
    »Jetzt wäre schön«, erwiderte der Ostländer und erhob sich. »Komm mit mir.«
     
    Sie flog weit oben und vor ihrem Partner, in langen, sich überlagernden Kreisen gleich unterhalb der Wolkendecke. Er begnügte sich zu folgen, denn ihre Augen waren schärfer.
    In der Tat wußte sie genau, wonach sie suchte, und sie hätte geradewegs dorthin gelangen können, aber der Tag war schön und warm für den späten Herbst, und sie hatte es nicht eilig, die Wünsche des Versorgers auszuführen. Dafür war noch Zeit; es lag keine Dringlichkeit in dem schwachen Echo, das sie aufgenommen hatte, warum also nicht den Tag genießen?
    Über ihr durchbrach ein fauler Falke die Wolken, erblickte sie und ignorierte sie hochmütig. Es kümmerte sie nicht; solange der Falke nicht zuschlug, gab es keinen Anlaß zum Streit; dann könnten sie das alte Du-fliegst-schneller-abwärts-ich-flieg-schneller-aufwärts-Spielchen treiben. Das hatte sie schon mehrmals gespielt und gewöhnlich gewonnen. Einmal hatte ein klappriger alter Hühnerhabicht sie geschlagen, und davon trug sie noch die Narbe über dem rechten Flügel, doch die störte sie nicht mehr.
    Sie kamen in Sichtweite einer großen menschlichen Gestalt, und ihr Partner, der sie zur gleichen Zeit erkannte, gesellte sich zu ihr, und sie umkreisten sie einmal. Sie dachte, daß sie sich, vielleicht in ein paar Tagen, wieder paaren könnten, aber es war so schwierig, ein Nest zu finden, wenn man ständig unterwegs war.
    Ihr Partner teilte ihr seine Ungeduld mit. Sie stieß das telepathische Gegenstück eines Seufzers aus und kreiste nach unten, um sich an ihren Auftrag zu machen.

 
     
ICH HEIRATE KEINEN ZAUBERSEHER,
ICH HEIRATE KEINEN ZAUBERSEHER,
DER GÄBE MICH NIE WIEDER HER.
HEISSA HEISSA BUM BUM!
EINS NACH VORN …
     
     
    Savn hatte geglaubt, sie würden in Vlads Zimmer gehen, statt dessen führte der Ostländer sie nach draußen auf die Straße. Noch war es ein bißchen hell, doch nicht mehr lange, denn die Wolkendecke verfärbte sich schon von orange nach rot und betonte die scharlachroten Flecken auf den Backsteinen von Schuhs altem Haus gegenüber. Ein paar Leute gingen vorüber, doch sie schienen sich auf ihre eigenen Angelegenheiten zu konzentrieren; die Aufregung von vor ein paar Stunden war verdampft wie eine Pfütze an einem heißen Tag. Und jene, die draußen herumliefen, schienen, so fand Savn, den Ostländer ignorieren zu wollen.
    Savn fragte sich, weshalb er nicht aufgeregter war angesichts der Vorstellung, die ostländische Hexerei zu erlernen, und er kam zu dem Schluß, daß er nicht so recht daran glauben mochte. Na, aber, fragte er sich, warum denn nicht! Weil, kam die Antwort, ich diesen Ostländer nicht kenne, und ich verstehe nicht, wieso er mir etwas beibringen möchte.
    »Wohin gehen wir?« fragte er laut.
    »An einen Ort der Kraft.«
    »Was für einer ist das?«
    »Eine Stelle, an der es leichter ist, außerhalb und innerhalb von sich selbst und dem anderen zu stehen.«
    Savn überlegte, welche Frage er zuerst stellen sollte. Schließlich entschied er sich für: »Dem anderen?«
    »Der Person oder dem Gegenstand, den du zu verändern wünschst. Hexenkunst – Magie – ist eine Art, Dinge zu verändern. Zum Verändern mußt du verstehen, und die beste Art zu verstehen ist, wenn man versucht zu verändern.«
    »Ich verst –«
    »Die Illusion von Verständnis ist ein Produkt aus

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