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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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Schulter nahm und ihn wegdrehte, wobei er ihm etwas ins Ohr flüsterte. Warum ist es mir egal?
    Polyi hatte sie nicht bemerkt, was ebenfalls eigenartig war; Polyi sah Ori sonst immer, wie alle anderen Mädchen in dem Dorf auch. Vielleicht ist es eine Krankheit, und ich habe Mä und Pä und Polyi angesteckt. Ich könnte Meister Wack fragen. Mache ich aber nicht. Vielleicht sollte ich Segner fragen, aber ich glaube, der will nicht mit mir sprechen.
    Tems Haus war leer, bis auf Tem und Vlad, der eine hinter seinem Tresen, der andere am äußersten Ende des Raumes. Die Sängerin war nicht zu sehen. Savn sah den Ostländer an und merkte, daß er zitterte.
    »Was ist denn, Savn?« fragte Polyi.
    Also fällt ihr doch was auf, dachte er. »Nichts. Mir ist nicht gut.«
    »Hier, setz dich hin.«
    »Ja.«
    Vlad schaute ihn nicht an.
    Da wurde ihm klar, und er fragte sich, wieso das erst jetzt passierte, daß der Ostländer irgendwie verantwortlich für die beiden Jheregs war, die Korall, Lan und Tuk letzte Nacht verjagt hatten. Ja. Es war wirklich geschehen. Sie wollten ihn verprügeln – hatten ihn schon geschlagen –, und dann kam dieses Flattern und die kleinen, entsetzlichen Gestalten, Flügel, dunkel im Dunkeln. Es ist wahr gewesen. Alles wahr. Und irgendwie hatte der Ostländer es getan. Polyi ging ihm ein Malzbier holen und verdünnten Wein für sich, während Savn zitternd dasaß.
    Solche Macht zu haben …
    Er warf einen Blick auf Vlad, doch der Ostländer saß zurückgelehnt da und starrte tiefversunken an die Decke. Eigentlich hatte Savn vorgehabt, Vlad links liegenzulassen; und wenn Vlad ihn nur angeschaut hätte, wäre es ihm auch gelungen. Aber es war, als würde Vlad, indem er selbst ihn ignorierte, sagen: »Ich verstehe, daß du nicht mit mir gesehen werden möchtest, und es ist in Ordnung.« Und das wäre Savn ganz und gar nicht recht.
    Polyi kehrte zurück und stellte ein Glas vor ihm ab. Er stand auf und sagte: »Ich bin gleich wieder da«, dann ging er zu Vlads Tisch hinüber. Der Ostländer sah ihn an und dann wieder weg, als kenne er ihn nicht.
    Savn zögerte und setzte sich hin.
    Vlad schaute ihn wieder an. »Guten Morgen«, sagte er. »So schnell habe ich dich nicht erwartet.«
    »Die Ernte ist eingebracht«, sagte Savn. »Wir sind früher fertig geworden.«
    »Glückwunsch. Ich nehme an, bald wird es ein Fest geben.«
    »Ja.«
    »Das wird dir bestimmt gefallen.«
    »Ja.«
    Vlad betrachtete ihn mit zusammengekniffenen Augen. »Was ist denn?« fragte er.
    »Nichts.«
    »Quatsch. Was ist los?«
    »Ich weiß nicht. Mir ist so komisch.«
    »Wie, komisch?«
    »So losgelöst.«
    »Hmm. Wie lange hast du dieses Gefühl schon?«
    Savn wollte plötzlich auflachen, weil Vlad sich wie Meister Wack anhörte. Hat er aber nicht. Statt dessen: »Ich glaube seit heute morgen. Nein, gestern nacht, nehme ich an.«
    Vlad nickte langsam, ohne die Augen von Savns Gesicht zu lassen. »Das geht vorbei«, sagte er. »Ich kenne das Gefühl. Glaube mir, ich kenne es.«
    Savn flüsterte: »Warum hast du das gemacht?«
    »Wie meinen?«
    Er räusperte sich. »Warum haben die das gemacht?«
    »Was gemacht?« fragte Vlad.
    Savn suchte in Vlads Gesicht nach einem Anzeichen, daß er wußte, wovon die Rede war, doch Vlad schien ehrlich unwissend.
    »Meine Freunde haben letzte Nacht versucht, mich zu verprügeln.«
    »Oh«, machte Vlad. »Das tut mir leid.«
    »Aber warum?«
    »Ich weiß nicht«, erwiderte Vlad. »Vielleicht aus Angst.«
    »Vor mir?«
    »Vor mir.«
    »Oh.« Savn spürte Vlads Blicke auf sich. Er sah ihn an und fragte: »Was hast du gemacht?«
    »Ich?« fragte der. »Nichts.«
    »Aber ich wäre verprügelt worden, wenn –«
    »Wenn etwas geschehen ist, das die Prügel verhindert hat, betrachte es als Glück und stell keine Fragen.«
    Savn beobachtete ihn eine Weile. »Du bist früher verprügelt worden, stimmt’s? Ich meine, als du noch klein warst.«
    »Oh, ja.«
    »Weil du ein Ostländer bist?«
    »Hauptsächlich.«
    Savn erkannte ein kleines Lächeln. »Na, du hast es überlebt; dann werde ich das wohl auch.«
    »Sehr wahrscheinlich«, sagte Vlad. »Bloß …«
    »Ja?«
    »Nichts.«
    »Hattest du einen Freund, der dir geholfen hat?«
    Das bekannte rätselhafte Lächeln kam und ging. »Ja, hatte ich.«
    »Hat er dir jemals erklärt, weshalb er dir geholfen hat?«
    »Nein«, sagte Vlad langsam, als sei ihm der Gedanke nie gekommen. »Nein, hat sie nie.«
    »Hast du es dich je gefragt?«
    »Das tue ich jetzt

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