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Athyra

Athyra

Titel: Athyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Brust
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gebraucht? Tücher? Vielleicht ein Gewand für eine Dame? Wer wird es tragen? Aus den Samen werden Öle gepreßt, die gehen dann ins Kühlhaus, und dann werden sie in Fässer gefüllt und irgendwo hingeschickt. Wer benutzt dieses Öl? Und wozu? Wahrscheinlich wird daraus Leinsamenfutter für irgendeine Herde. Oder vielleicht kriegt es Seine Lordschaft zum Verkaufen.
    Seine Lordschaft …
    Konnte er wirklich untot sein?
    Savn erschauerte und stellte fest, daß er nun wieder im Haus war, zusammen mit Mä, Pä und Polyi, und daß das rituelle Weintrinken beendet war, und er verspürte eine vage Traurigkeit, daß er es nicht wahrgenommen hatte – er wußte nur davon, weil es auf seiner Zunge stach, weil er den kühlen Keramikbecher in der Hand hielt und Bruchstücke der Unterhaltung noch in seinem Kopf widerhallten. Er dachte zurück an das Ende der Ernte in all den anderen Jahren, und die Erinnerungen überlagerten einander, bis Tränen ihm in die Augen zu treten drohten, aber selbst diese Trauer war weit entfernt von dort, wo er herumtrieb, im Mittelpunkt seiner Gefühle, doch nicht als Teil von ihnen.
    »Ich kann nicht glauben, daß es vorbei ist«, sagte er.
    »Hmmm«, machte Mä, die auf den Kissen unterm Dach hockte und trank. »Für dich ist es vielleicht vorbei, aber wir müssen noch –«
    »Jetzt nicht, Mä«, unterbrach Savns Vater. »Das Schwierige ist vorbei, und die Kinder können sich heute amüsieren gehen.«
    Savn fragte sich, ob sie weiterhin »die Kinder« sein würden, wenn sie ein Jahrtausend gelebt und eigenen Nachwuchs hatten. Wahrscheinlich. Er sagte sich wohl zum hundertsten Mal, daß er seine Kinder nach ihrem sechzigsten Geburtstag keinesfalls so nennen wollte. Na, vielleicht nach dem siebzigsten. Wenn er es recht bedachte, war er mit siebzig doch noch recht klein gewesen.
    Nach dem Essen, mit dem sie sich ordentlich Zeit ließen, und nachdem sie abgewaschen hatten, machten Savn und Polyi einen langsamen Spaziergang durch den ehemaligen Garten, sprangen von einem Stein auf den anderen und spielten Stock und Stein. Polyi quasselte davon, wie kaputt sie sei und daß sie es vorher gar nicht gemerkt hatte und wie schade es doch war, daß es am Ende der Ernte zu spät zum Schwimmengehen war und ob er sich an den Pullover erinnerte, an dem sie den ganzen Sommer über gearbeitet hatte, und ob er fand, die Farbe stehe ihr. Savn sagte, dies sei die erste Ernte, nach der er sich nicht kaputt fühlte, und schob es darauf, daß er den größten Teil des Sommers in Meister Wacks Haus gearbeitet hatte, und auch er wäre gern geschwommen und ob Polyi ein Mädchen namens Lova kannte und was sie von ihr hielt.
    Insgesamt war es einer der schönsten Vormittage, die Savn seit dem Sommer erlebte, und er war traurig, daß er zu abwesend war, um ihn richtig zu genießen.
    Er hörte, wie Polyi vorschlug, sie sollten bald zu Tems Haus gehen; sie hatte von der Sängerin erfahren, die am gestrigen Abend gekommen war. Savn hörte sich zustimmen. Tems Haus? Ja, da ist eine Sängerin. Und Vlad wird da sein und vielleicht auch Korall und Tuk und Lan. Warum habe ich keine Angst?
    Mä und Pä hatten nichts dagegen, daß sie früh aufbrachen.
    Was hatte Pä gesagt? Irgendwas, daß sie dieses Jahr gute Arbeit gemacht hatten. Savn setzte den großen Kessel auf, um Badewasser für sich und Polyi vorzubereiten, dann stellte er sich in die Tür und schaute über die Stoppeln auf den abgeernteten Feldern, und etwas später merkte er, daß er saubere Kleidung anhatte und sein Haar nach Seife roch. Polyi sagte, sie sei soweit, und fragte, ob Savn auch fertig war.
    Er schüttelte den Kopf, als könne er ihn damit von dieser seltsamen Stimmung befreien, dann nickte er Polyi zu. Sie wirkte etwas verwirrt, schien es dann aber zu vergessen, als sie sich ins Dorf aufmachten.
    Der Vormittag strahlte noch um sie her, die Luft voller herbstlicher Versprechungen. Die Blätter barsten in strahlendem Rot, Gelb und Gold und fielen neben ihnen von den Bäumen. Polyi sang den »Schweinebauern« und schien nicht zu merken, daß Savn nicht mit einstimmte.
    Sie kamen an der Stelle vorbei, an der er, soweit er sich erinnern konnte, am Abend zuvor von seinen besten Freunden angegriffen wurde. Warum habe ich keine Angst?
    Als sie ins Dorf kamen, erkannte Savn Segner mit seinem Lehrburschen Ori auf der anderen Straßenseite. Ori schaute sie an, wandte sich dann rasch ab und sagte etwas zu seinem Meister, der ihnen einen kurzen Blick zuwarf, Ori an der

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