Athyra
Meister Wack. »Manchmal wirst du Stunde um Stunde nichts anderes tun, als dasitzen und Beschwörungen aufsagen. Dein ostländischer Freund hat Glück.«
Savn nickte. »Wie lange wird er schlafen?«
»Das kann man nicht wissen. Wahrscheinlich sehr lange. Aber wenn er aufwacht, wird er Wasser brauchen und –«
»Murrrmumfff«, machte Vlad. Er hatte die Augen offen, und sein Gesichtsausdruck war intelligent und wach. Die beiden Jheregs, die unbeachtet an einer Höhlenwand gewartet hatten, hüpften um seinen Kopf herum. Polyi, die noch kein Wort gesagt hatte, sah nur mit großen, im Schein der Fackeln funkelnden Augen zu.
»Ich kann dich nicht verstehen«, sagte Savn zu Vlad.
Der Ostländer machte den Mund auf und wieder zu, dann fragte er: »Wer?«
»Das ist Meister Wack. Er hat dein Fieber behandelt.«
»Fieber?« Seine Stimme war kaum mehr als ein Flüstern.
»Ja.«
Vlad schaute kurz die Jheregs und Polyi an, dann nickte er Savn zu.
Meister Wack fragte: »Möchtet Ihr Wasser? Etwas zu essen?«
»Ja«, antwortete Vlad. »Und ja.«
Der Meister nickte Savn zu, der Vlad beim Trinken aus dem Weinbeutel half. »Hast du etwas zu essen?«
»Ja. Ich habe etwas Brot und Käse und junge Zwiebeln und Rote Bete und ein paar Gewürze.«
»Hilf mir beim Hinsetzen«, bat Vlad. Savn schaute Polyi an. Die zögerte, dann half sie Savn, Vlad zu helfen. Anscheinend war es für den Ostländer sehr anstrengend, doch schließlich saß er aufrecht mit ganz geradem Rücken. Er atmete tief und langsam. Das Flackern der Fackeln ließ sein Gesicht noch hagerer wirken als sonst. »Mehr Wasser«, sagte er.
Savn stützte ihn beim Trinken.
»Hinlegen«, sagte Vlad.
Savn und Polyi halfen Vlad, und als er wieder lag, klang sein Atem schwerfällig. Er schloß die Augen, und nach ein paar Minuten hob und senkte sein Brustkorb sich wieder normal. Zum erstenmal roch Savn den Schweiß des Ostländers – ganz so wie der eines Menschen, der hart gearbeitet hatte oder krank war.
Als Savn gerade dachte, der Ostländer sei eingeschlafen, öffnete er die Augen wieder und fragte: »Essen?«
Polyi fragte: »Wo?«
Und Savn: »Ich hole es.«
Er fand den Beutel und wühlte darin herum, bis er das Essen hatte. Als er ein Stück Brot abriß, merkte er, wie seine Hand zitterte. »Was soll ich ihm geben?« fragte er den Meister.
»Das Brot ist gut, und vielleicht etwas Käse.«
»Und leg eine von den Zwiebeln drauf«, sagte Vlad, »und was du so an Kräutern hast.«
Savn gehorchte und runzelte die Stirn. »Ist das denn richtig?« fragte er Meister Wack.
»Ja«, erwiderte der. »Du kannst den Käse ruhig würzen. Nur keinen Lauch mehr.«
Savn hielt Vlad den Kopf. Der schaffte ein paar mühevolle Bissen, bevor er den Kopf schüttelte und nach Wasser verlangte. Savn holte welches, und Vlad legte sich einmal mehr zurück, und diesmal schlief er auch ein. Währenddessen probierte Savn einen Bissen. Nicht schlecht, fand er. Er bot seiner Schwester etwas an, doch die schüttelte kurz ablehnend den Kopf.
»Er wird jetzt eine Weile schlafen«, sagte Meister Wack. »Los, wir machen Feuer.«
»Ist er hier in Sicherheit?«
»Wahrscheinlich. Aber wenn deine Schwester dir beim Holzsammeln helfen möchte, kann ich hier bei ihm bleiben.«
»Hilfst du mir, Polyi?«
»Na gut«, sagte sie mit dünner Stimme.
Sie nahmen eine der Fackeln und machten sich auf in die Wälder. »Savn«, sagte Polyi, als sie draußen alleine waren. »Was ist –?«
»Warum bist du uns gefolgt?«
»Ich dachte, du weißt, wo er ist.«
»Na, das stimmte ja auch. Und jetzt? Willst du Sprecher sagen, wo wir sind?«
»Ich weiß nicht.«
Sie sammelten Stöcke und Reisig aus der dünn bewachsenen Gegend um die Höhlen auf. »Wieso hilfst du ihm?« fragte sie.
»Weil er mein Freund ist und weil jeder sonst hinter ihm her ist, dabei hat er nichts getan.«
»Nichts getan? Du hast Zaum doch gesehen.«
»Wieso denkst du, er hat Zaum umgebracht?«
»Wieso denkst du, er hat es nicht getan? Und was ist mit den ganzen Männern Seiner Lordschaft?«
»Die haben angefangen.«
»Na, aber was will er eigentlich hier? Wer ist er?«
Savn erinnerte sich an einige der Dinge, die Vlad im Fieberwahn gemurmelt hatte, und antwortete nicht.
Sie brachten das Holz in die Höhle. »Wo sollen wir das Feuer anmachen?« fragte Savn.
»Hier drüben«, sagte der Meister. »Auch wenn das Fieber gebrochen ist, wollen wir nicht, daß ihm zu warm wird. Verbrennt den Stoff, haltet das Feuer in Gang, und ich
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