Athyra
wollte widersprechen, stand dann aber schmollend auf. »Nimm eine Fackel mit«, rief Savn. Sie antwortete nicht.
Savn drehte sich zu Vlad und sagte: »Die haben dir was zu essen geholt; wir überlegen gerade, wie wir es gebraten kriegen.«
Er nickte. »Gießt Wein drüber«, sagte er. »Meine Flasche.«
»Ist gut«, sagte Savn und machte weiter. »Du hast im Fieberwahn ein paar komische Sachen gesagt.«
Vlad kniff die Augen zusammen. Die Fackel schien auf die Gesichtshälfte, die auch Savn sah, und im Schatten seiner Stirn wirkten Vlads Augen sehr dunkel. »Erzähle«, sagte er. Seine Stimme klang trotz seiner Schwäche gebietend.
»Du hast mehrfach das Wort ›Morganti‹ benutzt.«
»Habe ich? Das überrascht mich nicht.« Er sammelte kurz Kraft. »Du weißt, was es bedeutet?«
»Ja. Es ist eine Waffe, die tötet, und zwar nicht nur den Körper, sondern auch –«
»Ja. Na, das werden sie wohl bei mir anwenden, wenn sie mich kriegen.«
»Wer?«
Vlad antwortete erst nicht, und Savn glaubte schon, er sei eingeschlafen, weil er die Augen schloß. Dann öffnete er sie jedoch wieder und sagte: »Die Leute, die hinter mir her sind.«
»Aber die Männer Seiner Lordschaft haben so etwas nicht benutzt.«
»Nein«, sagte Vlad stirnrunzelnd, »das ist richtig.« Er preßte die Lider aufeinander, dann machte er die Augen auf. Mit verwirrtem Gesichtsausdruck starrte er geradeaus, dann schüttelte er den Kopf, wie um einen Gedankengang abzuwerfen. »Was habe ich noch gesagt?«
»Vieles. Das meiste konnte ich nicht verstehen. Und dann noch Namen und andere Sachen.«
»Und?«
»Und du hast gesagt: ›Ich werde nicht mehr für dich töten.‹«
»Oh.« Darüber schien Vlad nachzudenken. »Sonst noch was?«
»Kurz vorm Einschlafen hast du gesagt, du würdest Seine Lordschaft umbringen.«
»Habe ich? Da muß ich aber sehr müde gewesen sein.«
»So etwas zu denken?« fragte Savn. »Oder es zu sagen?«
Savn wartete, doch Vlad gab keine Antwort. Also fragte er: »Warum haßt du ihn denn so sehr?«
Vlad schnaubte. Als er sprach, klang seine Stimme beinahe normal. »Er ist ein Totenbeschwörer. Er arbeitet mit Seelen. Wenn er eine braucht, nimmt er sie sich und tut damit, was er will. Begreifst du, was ich sage? Bedeutet dir das irgendwas? Würde es dir gefallen, wenn dein Leben eines Tages ausgeknipst wird, ohne Vorwarnung und ohne eine Schuld zu haben, bloß weil jemand deine Seele braucht wie du vielleicht ein Stück Stoff? Was für ein Wesen tut so etwas, Savn?«
Dann fiel er zurück und schien augenblicklich einzuschlafen.
Einige Minuten später kam Polyi zurück. »Ich habe ein paar Steine gefunden, die könnten gehen«, sagte sie. »Aber du mußt mir helfen, sie reinzurollen.«
»Ist gut«, sagte Savn.
»Ist er aufgewacht?«
»Ja.«
»Hat er dir was erzählt?«
»Ja. Er will Seine Lordschaft wirklich töten.«
Der Geruch gebratenen Norskas erfüllte die Höhle, und Vlad schlief noch, als Savn und Polyi ihre Diskussion wiederaufnahmen. »Und ich meine trotzdem, wir sollten es jemandem erzählen«, beharrte Polyi.
Savn schüttelte den Kopf. »Auch, wenn uns niemand glaubt?«
»Auch dann.«
Die Jheregs beobachteten sie anscheinend fasziniert. Savn bezweifelte, daß sie der Unterhaltung folgen konnten, und hoffte, er hatte recht.
»Und auch, wenn Seine Lordschaft in keiner Gefahr schwebt?«
»Wie kannst du das wissen?«
»Keiner kann ihn töten, weil er seine Seele in einer magischen Kiste versteckt.«
»Aber wir sollten trotzdem –«
»Und auch, wenn sie Vlad umbringen, sobald sie ihn gefunden haben?«
»Vielleicht hat er ja gelogen, kann doch sein«, sagte Polyi.
»Das glaube ich nicht«, erwiderte Savn.
Polyi fing zu sprechen an, schaute auf den schlafenden Ostländer und verstummte. Savn drehte noch einmal am Spieß. Fett tropfte herab; das Feuer zischte auf und beruhigte sich wieder. Langsam lief Savn das Wasser im Mund zusammen, und sein Magen knurrte.
»Wie lange?« fragte Polyi, der es anscheinend genauso ging.
»Ich weiß nicht. Woran erkennt man, daß es durch ist?«
»Na, außen ist es jedenfalls braun. Aber Pä schneidet es immer an.«
»Ja, aber wonach guckt er?«
»Ich glaube, ob es fertig aussieht.«
Savn grummelte und fand Vlads Dolch, mit dem er den Norska aufschnitt. Teilweise war das Fleisch weiß, aber an ein paar Stellen sah es durchsichtig aus. »Und?« fragte er.
»Ich habe keine Ahnung, wie ein Norska aussehen sollte«, meinte Polyi. »Ich habe noch keinen
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