Atlan 01 - Lepso 01 - Totentaucher
Reifere Spieler ließen das Gesicht zu einer originalgetreuen Miniatur werden und erfreuten sich an den Details – von den Pupillen, die sich im Licht zusammen zogen, bis zu den Sexualorganen. Hoffins nahm die Mirona-Puppe in die Hand und sah nach. Die Puppe war auf Kleinkindbetrieb gestellt.
»Sie gehört mir«, sagte Ghogul unbehaglich.
»Natürlich. Ich will sie dir nicht wegnehmen. Woher hast du sie, mein Guter?«
»Briseis bringt mir immer Sachen«, erklärte Ghogul, »deswegen gehören sie mir.«
»Das verstehe ich gut. Sie sorgt für dich, ja?«
Ghogul nickte und atmete geräuschvoll aus.
Hoffins legte die Puppe zurück in die Kiste. Ghogul beobachtete ihn aufmerksam.
»Bekommst du gerne Sachen?«
Ghogul nickte: »Oh ja!«
Hoffins sagte: »Ich auch, weißt du?«
»Was für Sachen?« Und, um seine etwas heftige Reaktion auf Hoffins’ Griff in die Puppenkiste wieder wettzumachen: »Möchtest du etwas tauschen?« Er warf schon einmal einen Blick in die Kiste, um zu sondieren, was ihm entbehrlich schien.
»Das wäre schön. Aber ich fürchte, ich habe nichts, was dir gefallen würde.«
Ghogul nickte enttäuscht. Ein Moment des Schweigens. Hoffins betrachtete Ghogul. Ghogul wand sich unter diesem Blick und fragte: »Was sind das für Dinge, die du willst, Artemio?«
Hoffins ließ sein angenehmes Lachen hören. »Manchmal ist es gar nicht so leicht, zu erkennen, was man wirklich will, was man begehrt.«
Ghogul beschaute wieder das Spielzeug in der Kiste und zog die Stirn kraus. »Ich finde alles schön«, befand er endlich.
»Früher wollte ich immer reisen, weißt du? Weite, weite Reisen unternehmen. Millionen Lichtjahre durch den Linearraum. In Sonnensysteme fliegen, von denen aus mächtige Sternenreiche regiert werden. Ins Arkon-System. Nach Drorah. Oder nach Terra.«
»Oh ja«, sagte Ghogul verständnislos.
»Du wolltest nie so gerne reisen, oder?«
Ghogul schüttelte den riesigen Kopf, von dessen Stirn Schweißperlen rannen. »Ich bin lieber daheim.« Er warf einen sehnsüchtigen Blick in Richtung Kammer.
»Du bist ein Guter, Ghogul. Nicht so böse wie Briseis.«
»Sie ist meine Schwester«, nickte Ghogul stolz.
Hoffins war sich durchaus unsicher, ob sie das war, ob es überhaupt ein Wort gab, um das familiäre oder genetische Verhältnis der beiden zu bezeichnen. Tatsache war, dass die beiden, die nicht eine Spur Ähnlichkeit aufwiesen, sich als Geschwister empfanden – aber in welchem Sinn? Immerhin gab es in ihrer Zuneigung zueinander keinerlei erotische Komponente.
Welche Rolle spielte er, Hoffins, für die beiden? Briseis war seine Geliebte. Für Ghogul stellte er vielleicht etwas wie einen Vater dar.
»Du bist ein Guter«, griff Hoffins seinen Gedanken wieder auf, »obwohl du manchmal etwas Böses tust.«
Ghogul nickte eifrig.
»Weißt du noch, wie du das erste Mal für mich gepustet hast?«
Das war im Nachtwald auf Poc gewesen. Hoffins rief sich die Szene ins Gedächtnis: Es war der dritte Tag ihrer Safari. Sie hatten die letzte der Lichtoasen schon vor etlichen Stunden hinter sich gelassen und waren tief in die alles Licht absorbierende Welt eingedrungen …
… als das Raupenfahrzeug plötzlich zu schaukeln begann. Einige der Männer lachten, verwegen, aber der Safariführer, ein ehemaliger Raumsoldat der Solaren Flotte, schaute vom ersten Moment an ernst.
Hoffins hatte gelernt, dass man bei einem Konzert nicht auf das Orchester, sondern auf dessen Dirigenten achten sollte, wenn man begreifen wollte, was vorging. In diesem Fall war Safariführer Diepolz der Dirigent.
Hoffins wappnete sich und spannte alle Muskeln an. »Anschnallen«, rief Diepolz, »das ist ein Wühlkeuler!«
Einige der Jäger riefen »Hej, hej!« im Takt des Schaukelns und versuchten, trotz der heftigen Bewegungen kleine Pinnchen mit Schnaps zu füllen.
Zwei der Jägerinnen setzten sich an die Bordkanonen und versicherten sich: »Ein echter Wühlkeuler? Ich dachte, die wären ausgestorben! Den hole ich mir!«
Tatsächlich hatte auch Hoffins dem Informationsholo entnommen, dass die »sorgfältige Tourismusbehörde von Poc alle erdenklichen Anstrengungen unternommen hatte, um die berühmten Nachtwälder zu einer Zone zu gestalten, die frei ist von Wühlkeulern. Dass hin und wieder einige unserer Gäste ein letztes Exemplar dieser mörderischen Gattung gesichtet haben wollten«, brachte die Broschüre augenzwinkernd in Zusammenhang mit dem Konsum von »bewusstseinserheiternden Stimulanzien, wie
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