Atlan 01 - Lepso 01 - Totentaucher
zwielichtig und grell war. Orbana, du Schöne. Die Stadt enthüllte einige ihrer verborgenen Schätze. Aber nicht alle davon waren so harmlos und verspielt wie die auf der »Allee der Letzten Gelegenheit«.
Ich stand Chrekt-Chrym nach langer Zeit wieder gegenüber. Ich war 1,87 Meter groß, auch in der Pattri-Charaktermaske. Der Topsider war entschieden kleiner, höchstens 1,60 Meter, und wirkte zierlich. Seine schwarzbraunen Schuppen glänzten. Ich hätte sein Alter nicht schätzen können, wusste aber, dass er etwas älter als sechzig Jahre war. Für seine Gattung, in der die Lebenserwartung bei zweihundert Jahren und darüber lag, war er noch ein junger Mann. Der lange Echsenschwanz schlängelte sich am Boden wie ein selbständiges Lebewesen. Seine glutroten Augen blickten mich klug und aufmerksam an. Ich hielt ihm die Hand hin. Er nahm sie zögernd. Seine Hand war schmaler als meine und hatte sechs Finger. Sie war sehr warm. »Lordadmiral«, begrüßte er mich. »Ich habe einen Kuchen gebacken.«
»Du verplemperst deine Zeit, Echsenmann«, schimpfte a Schnittke. »Kuchen backt man nicht, Kuchen kauft man.«
»Was denn für einen Kuchen?«
»Erdbeertorte.«
»Hört sich gut an.«
Der Topsider schlug Sahne in der Küche. Aus dem Nachbarraum kamen merkwürdig mechanische Geräusche, begleitet von einem lautstarken Ächzen. Chrekt-Chrym schlug lauter, als wollte er das Hintergrundgeräusch übertönen.
»Nebenan paart sich Chrekt-Chryms Teilzeit-Konkubine mit seinem charmanten Mitbewohner«, erläuterte a Schnittke mit erhobener Stimme. »Die beiden klingen beschäftigt. Macht nichts. Haben wir den ganzen Kuchen für uns allein.«
Die Geräusche drüben erstarben nach einem lauten Höhepunkt.
»Wer will Sahne?«, fragte Chrekt-Chrym.
Ich weihte die beiden Agenten in die Pläne ein. Chrekt-Chrym topsidische Mitbewohner schauten kurz vorbei und stärkten sich aus Steinkrügen mit mineralgesättigtem Wasser. Den Versuch des männlichen Topsiders, uns den Fortschritt seiner Anstrengungen in Sachen Gelegebefruchtung detailliert zu schildern, beendete a Schnittke mit einer Bemerkung, die Chrekt-Chrym zusammen zucken ließ. Der andere Topsider knarrte etwas in seiner Sprache und zog seine Gefährtin mit sich, zurück in das Zimmer ihrer fortpflanzungstechnischen Bemühungen.
A Schnittke machte sich auf den Weg und beschaffte zwei Gleiter. Chrekt-Chrym sollte die Wohnung auf den nächsten Gast vorbereiten.
Ich aß noch ein Stück Erdbeertorte. Sie schmeckte vorzüglich.
Im Rasthaus »Zum Jägerwirt«
Mein Gleiter verließ die oberste Leitschicht und sank zum Boden hinab. Der Verkehr hier war dicht, die Gassen unten enger als in den äußeren Bezirken der Megametropole. Dies hier gehörte zur Altstadt von Orbana; hier standen Bauwerke und Gebäudekomplexe, die 5000 Jahre und älter waren.
Manche beinahe so alt wie ich, aber entschieden schlechter erhalten.
Der Gleiter landete vor dem Rasthaus »Zum Jägerwirt«. Ich gab dem Gleiter noch eine Instruktion, dann stieg ich aus.
»Ist das Ihr Ernst, Sir?«, fragte die Gleiterpositronik nach.
»Ja, bitte«, bestätigte ich und betrachtete das Gebäude.
Das Haus war ein ausladender, aber schmuckloser Betonklotz ohne Fenster und hatte etwas von einem archaischen Luftschutzbunker. Es gab keine Tür. Ein schmaler Gang führte ins Innere.
Wer auf Lepso weilt, tut gut daran, sich auf allerlei Überraschungen gefasst zu machen, und am besten auf keine angenehmen. Zu einem Chor aus Unithern, die alte, arkonidische Schlachtlieder singen, hätte ich nichts gesagt, und auch nicht zu einem Kreis strickender und häkelnder Gataser. Aber der Innenraum des Jägerwirtes ging weit darüber hinaus.
Zunächst einmal mutete der Innenraum nicht wie ein Innenraum an. Eine hügelige Landschaft breitete sich vor mir aus, grüne, blumige Triften, auf denen ein paar Ziegen ästen und gelegentlich zum Eingang schauten. Eine Kuh marschierte vorbei, ihre Glocke schepperte, und sie ließ einen stinkenden Fladen fallen. Wenn sie eine Holoprojektion war, dann war sie perfekt; übrigens auch das Duftstoffimitat ihres Misthaufens.
In scheinbar großer Ferne erhoben sich die Felswände hoher Berge, nichts als Stein, Geröll, und weißer Schnee auf den Gipfeln.
Ein Adler kreiste hundert unwirkliche Meter über mir, irgendjemand blies Alphorn.
Und auf einem Hügel stand ein schmuckes Holzhaus mit Blumenkübeln auf der Terrasse und Blumenkästen auf dem Balkon, mit
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