Atlan 018 - Der Doppelagent
Kenn-Nummer des Eingangs zeigte, lehnte sich der Spezialist gegen die Tür und blickte sich suchend um.
Er war allein.
Entweder schliefen die Bewohner des Turmes—oder sie arbeiteten in den Labors, Fabriken oder auf dem Raumhafen.
Kennon schaltete seinen DeflektorGenerator durch einen Hirnimpuls aus. Er mußte damit rechnen, daß es verborgene Detektoren gab, die auf die charakteristischen Streustrahlungen von Deflektorschirmen ansprachen und Alarm gaben, wenn der Befund positiv ausfiel. Solche Systeme gab es auch im Solaren Imperium; sie gehörten zum übergeordneten System der Einbruchssicherung privater Wohnbauten.
Die Tür öffnete sich, als Sinclair M. Kennon die Hand auf die Stelle legte, wo sich erfahrungsgemäß das auf Wärmestrahlung reagierende Schloß befand.
Die Tür schwang lautlos nach innen; eine kleine Vorhalle wurde in mildes gelbes Licht getaucht. In der rückwärtigen Rundung der Halle erkannte Sinclair drei Öffnungen für Antigravschächte. Erwählte den mittleren und schwebte gleich darauf die schwach vibrierende Schachtröhre hinauf. Auch hier war er allein.
Im vorletzten Stockwerk endete der Antigravlift. Eine bunte Wendeltreppe führte durch einen kurzen gläsernen Schacht, hinter dessen Wänden die Einrichtung eines Restaurants zu sehen war. Darüber lag die große Sonnenterrasse mit Schwimmbecken und Dachgarten: Reglos schwamm ein Ball auf der Wasseroberfläche; bunte Schlieren von Sonnenöl schillerten im Schein der Sterne und der matten Nachtbeleuchtung.
Sinclair überquerte den kurzen gepflegten Rasen, der wie ein kostbarer Teppich unter den Sohlen federte, stieg die kurze Glastreppe zur Aussichtsbrüstung hinauf und blickte zu dem Fabrikgelände hinüber, aus dem er gekommen war.
Dann wandte er sich um und fragte:
“Kamla ...?”
Einen Meter von ihm entfernt tauchte plötzlich der Siganese auf der Brüstung auf. Es sah aus, als wäre er teleportiert. In Wirklichkeit aber hatte er nur sein Deflektorgerät abgeschaltet.
“Hier bin ich, Sir”, meldete Kamla Romo. “Die Aussicht ist herrlich, nicht wahr?”
“Gewiß ist sie das—jedenfalls für romantische Naturen.”
Er sprach schnell weiter. “Wir werden uns die Ermittlungsarbeit teilen, Kamla. Sie sind beweglicher als ich, zumindest hier in der Stadt, in der die Streustrahlung meines Antriebssystems angemessen werden könnte. Folglich übernehmen Sie die Aufgabe, die Verwaltungszentrale der Stadt zu durchsuchen und die Namen der führenden Persönlichkeiten zu ermitteln.”
“Das geht in Ordnung, Sir. Wo treffen wir uns wieder—und wann?”
“Ich recherchiere beim zentralen Großtransmitter”, überlegte der Halbroboter laut. “Jagen wir, in zehn Stunden am westlichen Ende des Parkgürtels. Zu dieser Zeit wird es noch hell sein, also kommen wir mit aktivierten Deflektorgeräten: Das Erkennungszeichen ist folgender Finkenschlag ...”, er ahmte den Schlag eines terranischen Buchfinken nach. “Ich hoffe, wir finden bis dahin einen besser geeigneten Treffpunkt, so daß dieses antiquierte Provisorium nur einmal angewendet werden muß.”
Kamla Romo ahmte den Finkenschlag und das Tremolo nach und sagte:
“Das Alte muß nicht immer schlechter als das Neue sein, Sir. Ich halte den Vogelschrei für eine gute Erkennungsmethode.”
Sinclair lächelte nachsichtig.
“Das war kein Schrei, sondern ein Finkenschlag, Kamla. Ich wünsche Ihnen viel Erfolg.”
“Danke, gleichfalls. Sir”, erwiderte Kamla artig, schaltete seinen Deflektor ein und startete mit kurzem Säuseln. Anschließend sank das Arbeitsgeräusch des Flugaggregats unter die Hörbarkeitsgrenze ab.
Sinclair wandte sich um—und erstarrte, als er das Geräusch von leichten Schritten hörte.
Ein höchstens einen Meter großer, buntbemalter Roboter mit Teddyfellgesicht tauchte am oberen.Ende der gläsernen Wendeltreppe auf, drehte den Kopf und huschte kaum hörbar auf den Rand des Schwimmbeckens zu. Er beugte sich in einem unmöglich erscheinenden Winkel vor, ergriff den bunten Ball mit den Händen und tappte anschließend wieder davon.
Sinclair Marout Kennon fühlte sich verwirrt. Das Gehirn in seinem vollendeten Robotkörper erinnerte sich an seinen mißgestalteten ersten Körper—und an seine Kindheit. Er hatte seine Eltern nie gekannt, und die Betreuungsmaschinen und Schwestern der Waisenheime: durch die er gegangen war, hatten ihm die Wärme eines Elternhauses und die Liebe von Mutter und Vater nie ersetzen können.
Aus diesem Grund berührte und verwundete es ihn
Weitere Kostenlose Bücher