Atlan 06 - Rudyn 03 - Acht Tage Ewigkeit
aus der Ferne das Feuer eröffneten.
Fünfzehn Sekunden!
Da entstand der ersehnte Torbogen hinter den qualmenden Schlacken des Rednerpults. Nastase trat einen Schritt zurück und wurde von der wallenden Schwärze verschluckt.
Ich hämmerte mit der freien Linken auf den handtellergroßen Missions-Abbruchbutton, der sich auf der Brustseite meines Anzugs befand.
Beide Anzugpositroniken reagierten simultan und beschleunigten uns weisungsgemäß mit Werten, die eine vorherige Überbrückung der Sicherheitsschaltungen der Andruckabsorber erforderlich gemacht hatten. Neife und ich wurden bis an den Rand der Bewusstlosigkeit getrieben und nahmen nur noch wirbelnde Schemen wahr. Die Gravopaks schleuderten uns wie lebende Kanonenkugeln mit positronischer Präzision in den Torbogen unseres Transmitters.
Noch während wir abgestrahlt wurden, glaubte ich die hereinbrechende Lichtflut einer armdicken Feuergarbe und das Gleißen der Explosion zu sehen, mit der das von Tingguely eingeschmuggelte Gerät verging.
Abstieg ist wie ein bisschen sterben
Derius Manitzke, Gegenwart
Derius saß allein in dem schweren Ledersessel hinter dem seit Langem verwaisten Schreibtisch. Er verfolgte konzentriert das Geschehen auf den sechs Monitoren, die zur luxuriösen Ausstattung des Arbeitszimmers gehörten. Es war das persönliche Büro des Wissenschaftlichen Kalfaktors, Ponter Nastases eigentlicher Arbeitsplatz im OPRAL.
Noch vor wenigen Wochen war die Zimmerflucht ein Ort hektischer Betriebsamkeit gewesen. Aber seitdem Nastase mitsamt seinem Stab auf die ZUIM gewechselt war, lagen die Räumlichkeiten im Ambar Temnyj brach. Dunkle Höhlen, in denen außer dem gelegentlichen Summen der Reinigungsrobots kein Geräusch erklang.
Derius befand sich auf den ausdrücklichen Wunsch des Generalkalfaktors hier.
Seit dem frühen Morgen gehörte er offiziell nicht mehr dem Referentenkreis um Marco Fau an, sondern war auf eine Anordnung Nastases hin zum Konkordanten für Besondere Zwecke befördert worden. Derius hatte die Ernennungsurkunde auf seinem Schreibtisch vorgefunden. Wenig später hatte Nastase ihm per Hologramm eine Grußbotschaft zukommen lassen. Dies und die Anweisung, die Grundsatzrede auf dem Platz der Großen Einheit unbedingt von seinen Amtsgemächern aus zu verfolgen. Eine neue ID-Karte mitsamt einer Hochrangbevollmächtigung lag der Ernennung bei.
Derius hatte sich von einem ziemlich kurzangebundenen Marco Fau verabschiedet und die laufenden Fälle einem Stellvertreter übergeben. Danach hatte er das Wissenschaftliche Kalfaktat aufgesucht, die verlassenen Flure durchquert und sich dabei gefragt, was für »besondere Zwecke« ihn wohl fortan erwarteten.
Seine ID-Karte gewährte ihm den Zugang zu Nastases Arbeitszimmer.
Konkordant also! , dachte er und lehnte sich in dem grauen Echtledersessel zurück. Faktisch die Position eines Kalfaktors. Es war unglaublich. Seit dem 11. August waren nicht mehr als 42 Standardtage vergangen. Und doch war alles so leicht, so selbstverständlich und folgerichtig geschehen.
Ihm wurde in der Stille der verlassenen Umgebung bewusst, dass er dabei war, Geschichte zu schreiben. Bedeutende Geschichte!
In gleich mehrfacher Hinsicht.
Da war die Geschichte des unbekannten Nanosensorikers, der es in nur 42 Tagen geschafft hatte, das zweitmächtigste Amt eines der großen Sternenreiche der Milchstraße zu erringen. Er war der lebende Beweis dafür, dass der künstliche Extrasinn nicht nur rein technisch machbar war und funktionierte, sondern auch dafür, dass diese Innovation es jedem Bürger der Union ermöglichen würde, weit, weit über sich hinauszuwachsen.
Was vor zehn Jahren nur eine versponnene Idee gewesen war, hatte sich in der Praxis als durchschlagender Erfolg erwiesen.
Da war ferner die Geschichte eines Ausnahmeermittlers, des Mannes mit dem überragenden kriminalistischen Instinkt. Der im Alleingang in wenigen Wochen mehr Schaden von der Union genommen hatte als der mächtige Apparat der Inneren Sicherheit, den der Konkordant Arbin Kobmeyer leitete. Jemand, der etwas Bedeutendes geleistet hatte.
Und da war die Geschichte, die er – als bedeutender Mann! – fortan zu schreiben gedachte.
Für einen Moment verirrten sich seine Gedanken zu Zemla und Estonia, seiner Tochter, die inzwischen an der Suniastra studierte. Was eigentlich? Er schüttelte den Kopf. Und wann hatte er beide zum letzten Mal gesehen?
Am 19. August , säuselte Carys gutturale Stimme. Und Estonia studiert
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