Atlan 08 - Illochim 02 - Im Bann der Gatusain
hergekommen war. »Ich möchte euch um etwas bitten. Scholk ist zu jung für eine solche Versammlung unter freiem Himmel. Sie könnte ihn aufregen. Lasst ihn im Bau.«
»Wir stellst du dir das vor?«, empörte sich Jidside. Ihr Aufbegehren war ein weiterer Beweis dafür, dass sie nicht sie selbst war. Vor Wochenfrist hätte sie nicht gewagt, den Sippenältesten auf diese Art anzufahren.
»Ein anderer kann auf Scholk aufpassen, solange ihr draußen seid.«
»Wer denn? Alle sind draußen.«
Argoth hätte beinahe einen Fehler begangen. Er roch Jidsides Widerstand. »Es war eine törichte Idee«, lenkte er ein. Greta Gale durfte nichts von seinem Anliegen erfahren. Er traute der Menschenfrau zu, dass sie etwas für Kanacht Unvorstellbares tat. Wenn sie begriff, dass ihr bei dem Ältesten nicht gelang, was ihr beim Rest der Sippe geglückt war, rückte sein Lebensende in greifbare Nähe. Er lachte. Sein Leben neigte sich ohnehin dem letzten Tag entgegen. Er hatte keine Angst vor der Menschenfrau. Nicht um sich sorgte er sich, sondern um die Dorfgemeinschaft, um die Familien der Sippe. Nun ganz besonders um Scholk, dessen Schicksal es war, sich unbeeinflusst zu entwickeln, bis er dereinst seine Fähigkeiten erkannte. Wie er dann entschied, sein Leben fortzusetzen, blieb ihm überlassen.
»Dies ist vielleicht mein letzter Besuch bei euch«, kündigte Argoth an.
»Du willst nicht wiederkommen?« Uchta trat vor ihn hin. »Scholks Augen leuchten, wenn er dich sieht.«
»Ich kann bald nicht mehr kommen. Mein Leben geht zu Ende.«
»Du … wirst sterben? Das geht nicht.«
Wieder lachte Argoth, amüsiert von soviel Naivität. Die Worte ließen Uchtas Unbekümmertheit aufblitzen. Das freute Argoth. »Ich bin alt und spüre, wie das Leben mich verlässt.«
»Was soll dann aus dem Dorf werden?«
»Mein Nachfolger wird sich um euch kümmern. Gehe ich, tritt Widrich an meine Stelle.«
Oder die Menschenfrau wird euch sagen, was werden wird, falls niemand kommt, um sie aufzuhalten , dachte der Älteste. Die Angst davor verbreitete Kälte in seinem Körper. Gleichzeitig erwachte, zum letzten Mal in seinem Leben, der Drang, die Kanacht zu beschützen. Einen Weg gab es, denn alles auf Orgoch war miteinander verbunden. Alles Leben war im Fluss und tauschte sich aus.
Es klopfte an der Tür, als Argoth gehen wollte. Er hatte eine düstere Ahnung, wer draußen stand.
Du machst deine Sache gut , lobte Gasuijamuo. Die Kanacht stehen unter deinem Einfluss.
So wie die Besatzung der ESHNAPUR. Greta Gale platzte vor Stolz, und das ließ sie alle um sich herum spüren. Jeden Morgen begab sie sich ins Lager der Kanacht und beeinflusste ihre Bevölkerung. Sie ließ sich mit Herrin ansprechen. Vor zwei Tagen hatte sie ihren Verfolger zuletzt gesehen. Mit Walshs Tod war er verschwunden, was kein Zufall gewesen sein konnte. Korf war der Gesichtslose gewesen, der ihr zugesetzt hatte, obwohl sie nicht begriff, wie es ihm gelungen war, sich ihren Suggestionen zu widersetzen. Er hatte nichts anderes als den Tod verdient. Das galt für jeden, der ihre göttliche Überlegenheit nicht anerkannte oder sich ihr in den Weg stellte.
Greta streifte durchs Dorf und kostete ihre Macht aus. Nie zuvor hatte sie so viel Zuneigung erfahren, auch nicht als MEINLEID-Anführerin in Kunshun. Sie fand, dass ihr das zustand. Greta war eine gute Herrscherin. Die Kanacht hatten Glück, und das vermittelte sie ihnen.
»Wie lange willst du dich auf deinen Lorbeeren ausruhen?«, fragte Heyburn. »Du hast sie unter Kontrolle. Es ist unnötig, jeden Tag wieder herzukommen.«
»Es macht mir Spaß.« Greta hatte sich daran gewöhnt, dass sie Svin nicht mehr ohne Alkoholflasche zu sehen bekam. Er hatte einen schier unerschöpflichen Vorrat davon im Lagerraum der ESHNAPUR gefunden und gab sich Mühe, ihn systematisch zu verbrauchen. Greta ließ ihn gewähren. Seine Bemühungen, »Baluchman« Simmi nachzueifern, blieben unbeholfen. Nicht mal ein richtiger Mann wie Jorim Kilshasin war er, was er durch sein pubertäres Gehabe zu überspielen versuchte.
»Dein Spaß in allen Ehren, wo aber bleiben deine Ambitionen? Wozu Zeit verstreichen lassen? Unterwirf weitere Siedlungen. Betonst du nicht ständig, Orgoch sei nur der erste Schritt auf deinem Weg ins Weltall?«
Greta blieb vor einem Hauseingang stehen. »Der zweite Schritt folgt bald. Hast du schon eins ihrer Häuser betreten?«
»Der Kanacht? Nein. Was soll ich darin?«
»Dir fehlt jede Phantasie, jedes
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