Atlan 09 - Illochim 03 - Der Traum des Navigators
»Man mag unsere Anwesenheit hier aus diversen Gründen heraus tolerieren, doch bin ich sicher, dass sich das ändert, wenn wir anfangen, Türen aufzubrechen.«
»Was, schlägst du vor, sollen wir stattdessen tun?«
»Lasst uns zu dem Minenschacht fliegen. Dort treffen wir garantiert auf jemanden, der uns über die hiesigen Verhältnisse Auskunft geben kann. Mit den Anzugaggregaten brauchen wir höchstens fünf Minuten. Waheijathiu und Gasuijamuo können wir ins Schlepptau nehmen.«
»Wozu?«, fragte der Navigator. Gleichzeitig aktivierte er eine Schaltung an einem seiner Schultergürtel und schwebte plötzlich ein paar Zentimeter über dem Boden.
»Um so besser«, meinte ich.
Kurz darauf waren wir unterwegs. Waheijathiu und Gasuijamuo flogen wie selbstverständlich voraus. Es wunderte mich ein wenig, dass der kleinere der beiden Sujadin noch keinen Ton von sich gegeben hatte. Akzeptierte er etwa die Autorität des Navigators, der zwar sein Artgenosse, jedoch auch sein Todfeind war?
Es sieht ganz danach aus , kommentierte der Extrasinn. Die Situation auf Shahimboba ist für die beiden offenbar so schockierend, dass sie eine Art Waffenstillstand geschlossen haben. Es fällt mir schwer, die Gedankengänge der beiden Illochim nachzuvollziehen. Selbst das wenige, das wir bislang über dieses Volk wissen, scheint einfach nicht zusammenzupassen. Man konnte beinahe glauben …
Mein zweites Ich stockte.
Was? , dachte ich. Sag mir, was du denkst!
Du kennst meine Abneigung gegen haltlose Spekulationen , wisperte der Logiksektor.
Ich will sie trotzdem hören , beharrte ich.
Na schön , gab der Extrasinn nach. Was, wenn die Illochim nicht ein einzelnes Volk, sondern ein Kollektiv sind? Trilith traf während ihrer Ausbildung mehrfach auf Insektenwesen. Sie selbst dagegen ist eine Humanoide. Waheijathiu und Gasuijamuo wiederum sehen in ihren Sujadin aus wie riesige Flundern – möglicherweise die wahre Gestalt ihrer einstigen Originale, möglicherweise aber auch nicht.
Auf jeden Fall , nahm ich den Faden sofort auf, würde diese Theorie zu den Fakten passen. Wäre es nicht faszinierend, wenn wir die Illochim längst kennen, allerdings unter anderem Namen? Vielleicht bezeichnet der Begriff gar keine Rasse, sondern eine Organisation. Vielleicht gehören ihr alteingesessene Völker wie Akonen oder Topsider an. Vielleicht …
Narr , stoppte mich der Logiksektor scharf! Deine Phantasie geht wieder einmal mit dir durch. So etwas ist nahezu unmöglich. Die Geschichte der großen und alten Milchstraßenvölker ist so gut wie lückenlos bekannt und bis ins Detail erforscht. Wenn Akonen oder Topsider tatsächlich zu den Illochim gehörten, hätte sich das niemals über so lange Zeit verheimlichen lassen.
Mein zweites Ich hatte natürlich recht; ich hatte mich hinreißen lassen, doch der Gedanke an sich war und blieb attraktiv.
Währenddessen schälten sich aus den wie Watte über der felsigen Ebene hängenden Dunstschleiern die ersten Konturen heraus. Soweit ich es einschätzen konnte, handelte es sich bei den wuchtigen Stahlkonstruktionen mit den riesigen Seilwinden am oberen Ende um primitive Fördertürme. So eine Technik war teilweise noch im 21. Jahrhundert auf Terra verwendet worden. Mit ihr transportierte man den beim Vorantreiben der Stollen unter Tage anfallenden Abraum an die Oberfläche. Die kurz danach auftauchenden Schutthalden, die sich bis zu hundertfünfzig Meter hoch anhäuften, bestätigten meine Analyse.
Der Regen peitschte uns nun so heftig entgegen, dass Trilith und ich die Helme wieder schließen mussten. Mit einem Stirnrunzeln registrierte ich, dass der Energiebedarf meines Flugaggregats um vierzig Prozent gestiegen war. Ich ordnete eine Schnelldiagnose an, doch alle gemeldeten Werte bewegten sich im Normalbereich.
Mit Hilfe der in meinen rechten Handschuh integrierten Kontrollen schloss ich zu Trilith auf und passte meine Geschwindigkeit der ihren an.
»Hat sich der Verbrauch deines Antigravs in den letzten Minuten erhöht?«, fragte ich sie. Sie zögerte kurz, konsultierte dann aber doch die Helmanzeigen.
»Tatsächlich«, stieß sie überrascht hervor. »Das Protokoll weist eine Leistungsabgabe des Meilers von plus 42 Prozent aus. Der Anstieg erfolgt nahezu linear und setzt sich weiter fort.«
»Mit anderen Worten«, sagte ich, »etwas entzieht uns den Saft.«
Narr , wies mich der Extrasinn zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit zurecht. Du verwechselst die Wirkung mit der Ursache. Die
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