Atlan 12 - Monolith 02 - Todeszone Zartiryt
über die Konsequenzen klar zu werden.
»Anrührend.« Malcher massierte sich mit Daumen und Zeigerfinger der linken Hand den Nasenrücken. Bildete sich Shinyan das nur ein, oder knisterte seine silberne Haut dabei tatsächlich wie altes, brüchiges Pergament?
»Dennoch: Ich bin ein wenig in Eile. Wenn Sie dann so freundlich wären, Padpool.«
»Bleib«, sagte Shinyan leise. »Bleib einfach, egal was geschieht.«
»Schluss mit dem nutzlosen Gerede.« Plötzlich klang Malchers Stimme wieder so kalt und emotionslos wie vor einigen Stunden, als er den Befehl gegeben hatte, die Unbekannten, die in den Monolithen eingedrungen waren, zu töten. Erneut zog er seinen Blaster aus dem Gürtelholster. Ohne den Blick von Padpool zu wenden, legte er auf Shinyan an. Die Abstrahlmündung zielte genau auf die linke Schläfe der Akonin.
»Ich gebe Ihnen zehn Sekunden«, sagte der Terraner zu dem jungen Prospektor. »Dann sind Sie entweder unterwegs, oder Ihre Freundin ist tot.«
Padpool suchte noch einmal Shinyans Blick und nickte ihr kaum merklich zu. Dann wandte er sich um und ging langsam in Richtung Bunker. Arrik und Taraster wichen unwillkürlich zwei Schritte zurück; Malcher dagegen blieb reglos stehen, die Augen zu engen Schlitzen zusammengekniffen und die Waffe nach wie vor auf die Akonin gerichtet.
Shinyan verspürte den unkontrollierbaren Zwang, etwas zu tun, um das aufzuhalten, was unvermeidlich schien, doch die Lähmung, die ihren Körper erfasst hatte, war so vollkommen, dass sie nicht einmal mehr atmen konnte. Die Kälte und das Vakuum des Weltraums schienen ihren Weg ins Innere des Monolithen gefunden zu haben, und nur die Tatsache, dass sie die Einzige war, die zitternd nach Luft rang, bewies ihr, dass in Wahrheit der spindeldürre Terraner neben ihr für das alles verantwortlich zeichnete.
»Verraten Sie mir eines, Malcher«, hauchte sie erstickt. »Macht Ihnen das Töten Spaß?«
Der Terraner sah überrascht aus. Padpool war nur noch wenige Schritte von der ersten der vier Leichen entfernt. Seit er losgegangen war, hatte er sich nicht ein einziges Mal umgedreht.
Shinyan wusste nicht, warum, doch auf einmal musste sie an ihren Großvater denken. Sharkol war einer der wenigen aus der Familie gewesen, der in die alte Heimat zurückgekehrt war. Er hatte die Gemeinschaft hinter sich gelassen, um wieder auf Drorah zu leben – zumindest war sie sehr lange Zeit dieser Überzeugung gewesen. Es hatte der Akonin damals das Herz gebrochen, als Sharkol während eines Aufenthalts auf der Freihandelswelt Lepso plötzlich verschwunden und nicht mehr zurückgekehrt war. Wie oft mochte sie die kurze TriVid-Aufzeichnung, in der der alte Mann seinen Entschluss zu rechtfertigten suchte, seitdem wohl schon abgespielt haben? Wie oft hatte sie die Tränen in den Augen des Großvaters gesehen und zu verstehen versucht, warum er gegangen war, obwohl es ihn doch so sichtlich geschmerzt hatte, die Seinen zu verlassen. In ihrer kindlichen Naivität hatte sie sich am Anfang selbst die Schuld gegeben und sich nächtelang in den Schlaf geweint, während ihr Vater getobt und Sharkol alle Plagen des Universums an den Hals gewünscht hatte.
Nach einer Weile war auch Shinyan zu der Einsicht gelangt, dass dies ein taugliches Mittel war, um den in ihr wühlenden Schmerz zu betäuben. Letztlich waren die Beweggründe ihres Großvaters gar nicht wichtig. Was zählte war nur, dass er seine einzige Enkelin verletzt hatte. Wissentlich und obwohl er nie müde geworden war, ihr zu versichern, dass er sie über alles liebte, dass ihr Lächeln alle Sonnen des Universums verblassen ließe und jeder Augenblick in ihrer Nähe sein Herz mit Glück und Dankbarkeit füllte. Also, so Shinyans logische Schlussfolgerung, hatte er sie angelogen. Seine Beteuerungen und Komplimente waren nichts als inhaltsleere Heucheleien gewesen, denn wenn er sie wirklich geliebt hätte, wäre er nicht einfach gegangen; zumindest nicht, ohne sich vorher von ihr zu verabschieden.
Für Shinyan, das Kind, war diese Hypothese zufriedenstellend gewesen, für Shinyan, die Erwachsene, hatte sie jedoch schon bald nicht mehr ausgereicht. Schließlich hatte sie die nagende Ungewissheit nicht mehr länger ertragen können. Zum ersten und bis heute einzigen Mal war sie ins Blaue System geflogen, um nach Sharkol zu suchen und ihn zur Rede zu stellen. Sie hatte ihn schnell gefunden. Seine Asche war mangels vorhandener und vor allem finanzkräftiger Angehöriger in einer der öffentlichen
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