Atlan 13 - Monolith 03 - Echo der Verlorenen
Bewegung, drehte mich halb um und sah aus dem Dunkel unterhalb der Zwischenschicht ein großes Wesen an den Ranken herunterklettern. Riesige Augen funkelten mich an, ein mächtiger Rachen entblößte ein furchteinflößendes Gebiss mit weißen Fangzähnen. Ein dreieinhalb Meter langer Körper, eine Kreuzung zwischen Schlange und Echse, mit einem Greifschwanz und Krokodilextremitäten, die sich mit langen Krallen in die Ranken und die Rinde verhakten. Kopfüber kam die Bestie senkrecht am Stamm auf mich zu. Sie bewegte ihren runden Schlangenkörper mit erstaunlicher Schnelligkeit und stieß unentwegt ein zischendes Fauchen aus. Ich hob die Waffe, entsicherte sie und sah am nächsten Stamm das zweite Exemplar der lumbagischen Raubfauna.
Sie betrachteten mich als Beute. Ich zielte und feuerte in den aufgerissenen Rachen der Echsenschlange. Die Thermoentladung sprengte den Vorderkörper des Tieres auseinander. Die Krallen verloren den Halt in der schrundigen Rinde; der Körper fiel zuckend und blutend zwischen die Wurzeln. Ich bewegte mich langsam rückwärts und erspähte aus den Augenwinkeln, wie sich Dutzende oder Hunderte kleiner Aasfresser auf die Teile des Kadavers stürzten.
Das zweite Raubtier hatte den Boden erreicht und kam mit rasend schnellen, gleitenden Bewegungen auf mich zu, den zwei Meter langen Schwanz mit dem Skorpiondorn am Ende steil aufgereckt.
Mit zwei Schüssen tötete ich auch diesen Angreifer und schwebte in die Höhe. Ich drehte mich halb und flog aus dem dämmerigen Wald hinaus in die Helligkeit des Sumpfes.
Der Extrasinn warnte mich: Außer auf diese Echsenschlangen solltest du deine Leute auch auf andere Dschungelbestien vorbereiten. Denke an deine Mannschaft!
Ich schüttelte mich und wandte mich schaudernd ab, schlug nach einem Mückenschwarm und schwebte hinüber zum Lager. Unterkünfte für rund fünfzig Crewmitglieder und fast die gesamte Ausrüstung waren so gut wie fertig. Die Laute aus dem Dschungel waren zu einer permanenten akustischen Kulisse herabgesunken. In einem halb offenen Zelt Swamp Citys sah ich ein Dutzend Verletzte auf ihren Klappliegen. Ich landete im Zentrum des Feldlagers auf einem runden Fleck, der durch den Beschuss mit Thermostrahlern verglast und daher trocken war.
Die Kommandantin Naileth Simmers saß auf der Abdeckung einer der breiten Shift-Gleisketten, hatte die Ellbogen auf die Oberschenkel gestützt und betrachtete schweigend und bewegungslos ihr Schiff, ihren Kreuzer IMASO. Sie hatte seit Jahren alle Daten bis zu den scheinbar unwichtigen Kleinigkeiten verinnerlicht; hier auf Lumbagoo hatte ihr vierundzwanzigster Einsatz unwiderruflich sein Ende gefunden.
»Auf Luna gebaut, Anno 2956«, murmelte sie und unterdrückte das Gefühl der Trostlosigkeit, das sie beschlichen hatte. »Mehr als eineinhalb Jahrhunderte lang, beschädigt und ramponiert, wiederhergestellt, modernisiert, verbessert – und immer schneller gemacht worden. Hat dir alles nicht geholfen, alter Kahn.«
Hundert Meter Durchmesser; ein kleines Schiff. Eine metallene Zusammenballung terranischer Ingenieurskunst, geradezu ein Symbol für absolute Tüchtigkeit. Robust, zuverlässig wie ein Samuraischwert oder ein archaischer Dieseltraktor. Furchtbar sahen die zerfetzten, weggebrannten und geschwärzten Verkleidungen des Ringwulstes sowie die deformierten Triebwerke und deren Aufhängungen aus. Die Löcher in der Hülle, die Reste des Löschschaums, die weit offenen Hangartore und Luken kennzeichneten den Zustand des versinkenden Wracks. 150 Frauen und Männer hatten noch vor kurzem zur Stammbesatzung gezählt. Für sie – und erst recht für die Kommandantin – war die IMASO monatelang die einzige Heimat gewesen. Das Zuhause im All und auf unzähligen Landeplätzen. Jetzt waren Teile der Heimat von zähem, stinkendem Schlamm und schwarzem Wasser gefüllt, die sich bis an die Sicherheitsschotts stauten.
»Wir alle waren ein sehr gutes Team«, flüsterte Naileth Simmers und fühlte, dass ihre Augen feucht wurden.
»Mannschaft und Schiff: Symbole für Zähigkeit und absolute Professionalität bei jeder Aktion. Und mein kleines Biotop …«
Die hydroponische Anlage auf Deck Vier, ihr kleines, privates Reich, in dem sie jedes Pflänzchen gekannt und umhegt hatte, in den kurzen Zeitspannen, die ihr als Schiffsführerin geblieben waren. Wo sie, von dem Genuss innerer Ruhe und dem trügerischen Geruch nach Gäas Hochwiesen und Waldrändern abgesehen, einen kurzen freundschaftlichen Moment mit
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