Atlan 15 - Monolith 05 - Ceres am Abgrund
Schüler nicht verzeihen. Ob Bakath Stromer das konnte, hätte er zu gern gewusst. Er war aber ehrlich genug zuzugeben, dass er einem anderen ein solches Verhalten ihm gegenüber nicht nachgesehen hätte.
In diesem Augenblick nahm er sich vor, dass er unter allen Umständen versuchen würde zu fliehen und anschließend Doktor Stromer um Entschuldigung zu bitten.
Heute war der schlimmste Tag seines Lebens. Zuerst hatte er Laras Tod miterleben müssen, jetzt die Sicherheit bekommen, dass er sich seinem früheren Schüler gegenüber jahrelang falsch verhalten hatte. Damit war er seiner wissenschaftlichen Reputation und Vorbildfunktion in keiner Weise gerecht geworden.
»Was ist mit Ihnen, Herr Kollege?«, erkundigte sich Thom Fogarty, als er Turk Varinar weinen sah. Es dauerte zwei Minuten, bis Varinar wieder ansprechbar war.
»Ich bin immer noch geschockt über den Tod meiner Assistentin«, sagte Varinar und schilderte Professor Fogharty jene entscheidenden Sekunden in der Konfrontation mit Malcher und Chulia. Bei der Nennung von Chulias Namen zuckte Fogharty zusammen.
Er drehte sich um, vergewisserte sich, dass es keine Zuhörer gab. Dann blickte er auf das Display einer Minipositronik und wandte sich nach einigen Sekunden an Varinar.
»Keiner von uns mag sie. Sie hat schon viele Personen umgebracht, alle in Malchers Auftrag. Und jedes Mal hat sie sich darüber gefreut wie ein Kleinkind, das ein Geschenk bekommt. Geistig steht sie auch nur auf der Stufe eines Kindes, aber Malcher hat einen Narren an ihr gefressen, weil sie für ihn die Todesurteile vollstreckt.«
»Sie hat den Tod verdient«, knurrte Turk Varinar gedankenlos, ohne zu wissen, ob ihn sein Kollege nicht verraten würde. Aber machte das am Ende etwas aus? Malcher und Chulia wussten doch sowieso, dass sie bis auf den Tod gehasst wurden.
Doch Thom Fogharty verblüffte Varinar. Der bärtige Professor rieb langsam die Handflächen aneinander und stierte ins Nichts. Er wirkte sehr nachdenklich.
»O ja, das hat sie. Auf jeden Fall.« Er blickte Varinar an. »Sie muss sterben. Aber wer kann den Tod auf zwei Beinen töten?«
»Wenn dem so ist, verdiente ja auch ich den Tod«, sagte Varinar und sah Fogharty in die Augen. »Und Sie auch, Herr Kollege, denn wir unterstützen beide den Silberherrn, anstatt ihn zu bekämpfen.«
Er hatte die Bezeichnung aufgegriffen, die Malcher erwähnt hatte, ohne zu wissen, dass sie von Planeten Thanaton stammte.
»Silberherr?«, echote Thom Fogharty verständnislos. Zum wiederholten Mal rieb er sich mit Daumen und Zeigefinger über die Nase. »Woher haben Sie diesen eigenartigen, dennoch extrem zutreffenden Begriff?«
»Meinetwegen den Herrn über das lebensverlängernde Silber«, brummte Turk Varinar und fuhr sich mit der rechten Hand von den schweißverklebten Haaren über den Nacken. Er drehte den Kopf langsam nach allen Seiten. »Er lebt, und alle meine Leute sind gestorben«, klagte er. »Und ich weiß noch nicht einmal, warum er das gemacht hat. Es hätte doch gereicht, uns zurückzudrängen.«
»Damit gibt er sich nie zufrieden«, bestätigte Fogarty. »Das maximale Ergebnis ist ihm noch zu wenig, das haben wir oft genug am eigenen Leib erfahren müssen. Malcher ist ein Besessener.«
Varinar presste die Lippen zusammen.
»Wer sagt mir, dass ich Ihnen trauen kann? Sie könnten ja auch von Malcher dazu abgestellt worden sein, dass Sie alles, was ich von mir gebe, weitersagen.«
»Umgekehrt ist es genauso«, sagte Fogarty. »Er könnte Sie geschickt haben, damit Sie uns aushorchen. Beim dreidimensionalen Schach nennt man eine solche Situation Patt.«
»So kommen wir nicht weiter, Kollege.« Varinar klang nicht nur erschöpft, er war es auch. Sein innigster Wunsch war, jetzt auf der Stelle einzuschlafen und nach dem Aufwachen festzustellen, dass alles nur ein schlechter Traum gewesen war. Selbstverständlich wusste er, dass dies nichts mehr als ein Wunschtraum war, aber er klammerte sich daran, um die Realität besser durchstehen zu können.
»Halten wir es doch so, dass wir gemeinsam forschen, um unsere wissenschaftliche Neugierde zu stillen«, schlug Fogarty vor, der die Statur eines blonden Bären besaß. Da ihn seine langen lockigen Haare störten, hatte er sie im Nacken zu einem Pferdeschwanz gebunden. »Alles andere bleibt während dieser Zeit außen vor.«
Wissenschaftliche Neugierde war ein gutes Motiv, aber allmählich trieb diese Neugierde Turk Varinar in eine schwierige Situation. Indem ich
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