Atlan TH 0001 – Raumschiff SOL in Not
ein IV-Schirm, aber sie waren keine hundertprozentigen Garanten seiner Sicherheit.
Doch Deccon liebte das Risiko. Er brauchte den Nervenkitzel. Manchmal erlebte er bei seinen Exkursionen, dass Solaner die SOLAG im Allgemeinen und den High Sideryt im Besonderen verfluchten, aber das ertrug er gelassen. Wenn sich eine Gelegenheit bot, beteiligte er sich sogar ab und zu an solchen Beschimpfungen. Es übte einen eigenartigen Reiz auf ihn aus, mitten in einer Gruppe von Solanern zu stehen und sich selbst als Tyrannen zu bezeichnen. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, sich zu rechtfertigen. Dass er ein Diktator war, bestritt er nicht. Es bestanden auch keine Zweifel daran, dass es sich bei der SOLAG um eine korrupte und machtgierige Organisation handelte.
Aber, so dachte Deccon immer wieder, wir sorgen dafür, dass dieses Schiff funktioniert. Zumindest einigermaßen.
Deccon war in den letzten Jahren dazu übergegangen, die Namen besonders aufrührerischer Männer und Frauen zu notieren und sie den Ahlnaten zuzuspielen, die ihre Rostjägerkommandos zu Strafaktionen losschickten. Für den großen Mann bedeutete es ein besonderes Vergnügen, bei solchen Anlässen zu erleben, dass ihm auf dem Instanzenweg der SOLAG sodann jene Namen übermittelt wurden, die er selbst in Umlauf gebracht hatte.
Als der High Sideryt das Ende des Geheimgangs erreicht hatte, überzeugte er sich davon, dass niemand in der Nähe war, öffnete die Tarnverkleidung und trat in jene Bereiche des Schiffes ein, die allen Bewohnern der SZ-1 zugänglich waren.
Deccon hielt es für gut, dass Solaner aus der SZ-1 nicht in die beiden anderen Schiffsteile wechseln durften. Jedes der drei SOL-Elemente bildete dadurch einen abgeschlossenen Bereich. Auf diese Weise waren viele Vorgänge leichter zu kontrollieren, zumal Mitglieder der SOLAG natürlich nicht von diesem Verbot betroffen waren. Trotzdem war sich der High Sideryt sicher, dass es ein paar geheime Verbindungswege gab, die von Eingeweihten benutzt wurden.
Chart Deccon schlenderte gemächlich den Korridor entlang, einsam, vollgepumpt mit E-kick und mit jenem seltsamen Prickeln im Bewusstsein, das risikofreudige Glücksspieler in entscheidenden Situationen erlebten.
Wie viele andere Buhrlos beherrschte auch Amer die Fähigkeit, einfache Worte und Sätze von den Lippen eines Menschen abzulesen, wenn er sich mit seinen Gesprächspartnern im Weltraum befand. Es war eine aus der Notwendigkeit heraus geborene Kunst.
Amer war ziemlich sicher, dass der Fremde mit den silberweißen Haaren gerade gefordert hatte: »Bringt mich zur SOL!«
Er spricht Interkosmo!, signalisierte Amer seinen beiden Freunden. Sie reagierten überrascht.
Kommt er von unserem Schiff?, wollte Shia wissen. Amer wusste darauf keine Antwort. Er machte dem Unbekannten ein paar einfache Gesten aus der Buhrlo-Zeichensprache, aber der Mann reagierte darauf nur mit einem Achselzucken. Er verstand Amer nicht.
Sie würden das Geheimnis dieses Mannes nur lösen können, wenn sie mit ihm sprachen. Das war allerdings erst in der SOL möglich. Amer spürte eine zunehmende Erregung. Sie rührte nicht nur von der Faszination her, die von dem Fremden ausging.
Instinktiv begriff der Buhrlo, dass ihr Zusammentreffen mit diesem Mann von entscheidender Bedeutung war. Nicht nur ihr eigenes Schicksal hing davon ab, was sich aus dieser Begegnung entwickeln würde.
Amer erschauerte bei dem Gedanken, dass es ihnen nicht gelingen könnte, in die SOL zurückzukehren und diesen Raumfahrer unbemerkt mitzunehmen.
Wieder bewegte der Silberhaarige die Lippen. Amer starrte ihn an.
»Bringt mich zur SOL!«, erneuerte der Mann seine Aufforderung.
Amer machte ein Zeichen der Zustimmung, dann nickte er heftig. Er bedeutete dem Fremden, ihnen auf die Plattform hinaus zu folgen.
Monk protestierte nicht mehr, offenbar hatte er eingesehen, dass er nichts erreichen würde.
Der Raumfahrer ergriff Amer am Arm und brachte sein Gesicht dicht an das des Buhrlos. Dabei bewegte er die Lippen. Amer begriff und lächelte traurig. Der Unbekannte wartete offenbar darauf, dass der Buhrlo die Lippen bewegte. Vielleicht verfügte er auch über die Fähigkeit, Worte vom Mund ablesen zu können. Doch mit verschlossenen Papillos konnte Amer kein einziges Wort formen. Er zuckte bedauernd mit den Schultern. Der Fremde schien diese Haltung nicht zu verstehen, aber er akzeptierte sie.
Monk und Shia Deen hatten sich inzwischen auf die Plattform hinausbegeben.
Amer und sein
Weitere Kostenlose Bücher