Atlan TH 0003 – Der Katzer
er bedauerte nichts. Er hatte sein Leben gelebt. Ein kurzes Leben zwar, doch wenigstens war er frei gewesen.
Ein Peitschenknall schreckte ihn auf. Der Ferrate erstarrte, die Waffe entglitt seinen kraftlos werdenden Fingern.
»Horm«, rief Mark Hartem aus. »Das war in letzter Sekunde.«
Der Freund nickte, während er sich mühsam erhob und humpelnd näher kam.
»Ich musste warten, bis ich sicher sein konnte, ihn mit einem einzigen Schlag zu erwischen. Dabei durfte er nicht merken, dass ich noch bei Besinnung war. Zum Glück ist nur mein linkes Bein gelähmt.«
Während Hartem den Strahler des Rostjägers an sich nahm, beugte Brast sich über das Mädchen.
»Mira hat es voll erwischt«, stellte er fest. »So schnell wacht sie nicht auf.«
»Trotzdem müssen wir von hier verschwinden. Die SOL-Farmer werden die Brüder der oberen Kasten alarmiert haben.«
Eine der beiden Antigravplattformen war so schwer beschädigt, dass sie sich nicht mehr von der Stelle bewegen ließ. Hartem ging daran, von der anderen einige Container herunterzuwerfen.
»Mist«, schimpfte er. »Diesmal ist es total schiefgelaufen.« Für seinen Geschmack dauerte das Ganze schon viel zu lange. Bisher waren sie stets innerhalb weniger Minuten wieder von der Bildfläche verschwunden gewesen.
»Hilf mir mit Mira«, wandte er sich an Horm, der ihre Umgebung beobachtete. Sie legten das Mädchen auf die Plattform. Die Beute war nun kleiner, als sie sich erhofft hatten. Hartem hob den Strahler.
»Was hast du vor?«, fragte Brast erschrocken.
»Die Ferraten sind gefährliche Zeugen. Sie könnten uns die gesamte SOLAG auf den Hals hetzen.«
»Bist du verrückt? Das ist kaltblütiger Mord.«
Hartem zuckte die Schultern. »Glaubst du, mir gefällt das?«
»Ich werde das nicht zulassen, Mark«, sagte Brast scharf. »Wir sind es gewohnt, von einem Versteck ins andere zu fliehen. Du wirst hier niemanden umbringen!«
Mark Hartem presste die Lippen zusammen.
»Atlan sagt, dass schon bald wieder geregelte Verhältnisse an Bord der SOL herrschen werden, dass sich die Achtung vor dem Leben und der Respekt vor dem Individuum wieder durchsetzen«, fuhr Horm fort. »Ich möchte ihm das glauben, verstehst du?«
»Und wenn uns dein Atlan als Nächstes das Plündern verbietet?«, brauste Hartem auf. »Wovon sollen wir dann leben? Verrät uns das dieser Atlan auch?«
»Lass es gut sein, Mark«, wehrte Brast ab. »Und steck den Strahler weg. Bitte.« Abschätzend wog er die Neuropeitsche in der Rechten. Hartem erkannte, dass der Freund zu allem entschlossen war. Wenn er ehrlich war, fühlte er sich sogar ein wenig erleichtert, dass ihm auf diese Weise die Entscheidung abgenommen wurde. Obwohl die Rostjäger ihrerseits sicher nicht gezögert hätten, verspürte er Skrupel, sich an Wehrlosen zu vergreifen.
Machte der Einfluss des Fremden auch vor ihm nicht halt? Er wollte es sich nicht eingestehen, aber dieser Atlan besaß eine Ausstrahlung, wie er sie noch bei keinem anderen Solaner erlebt hatte. Auf unbestimmbare Weise wirkte der Mann mit dem silbernen Haar zeitlos.
Mark Hartem schob wortlos seine Waffe ins Holster und setzte die Plattform in Bewegung. Nach etwa zweihundert Metern stieß er auf einen Antigravschacht, der groß genug war, um selbst sperrige Lasten aufzunehmen. Fünf Hauptdecks höher wandten die vermeintlichen Troiliten sich in Richtung SOL-Außenhülle. Sie wurden von einer Gruppe junger Leute erwartet, die sich eifrig auf die Container stürzten und diese wegschleppten.
13.
Alles brach wie ein Kartenhaus zusammen. Das Gefühl der Geborgenheit wich jähem Erschrecken, als jemand lautstark an das Schott pochte. Marra vernahm mehrere Stimmen, die wirr durcheinanderredeten, konnte aber nicht verstehen, was sie sagten.
Germa, die in den Armen ihrer Mutter eingeschlafen war, schreckte auf und jammerte leise. Der Blick ihrer Augen war eine einzige stumme Frage.
Kommen sie mich holen?
Was sollte Marra darauf antworten? Eine Lüge, um das Mädchen zu beruhigen? Nein! Sie hatte ihre Kinder nie angelogen und würde es auch jetzt nicht tun.
Die Frau sah zum Schott hinüber, das von innen verriegelt war. Es würde den heftiger werdenden Schlägen noch eine Zeit lang widerstehen können.
»Die Männer wollen Germa an die Ferraten ausliefern«, sagte Sylva leise. Marra nickte stumm. Sie würde es nicht verhindern können. Einmal hatte sie den Mut besessen, das Messer gegen sich und ihre Kinder zu richten, nun konnte sie es nicht
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