Atlan TH 0003 – Der Katzer
Wissen konnte man bei ihm nie, für welche Zwecke er die erworbenen Kenntnisse auszunutzen gedachte.
Nervös trommelte Deccon mit den Fingern auf das Tischchen, auf dem der Akku mit dem gespeicherten E-kick stand. Aber nun war nicht der richtige Zeitpunkt für eine Behandlung, obwohl er sich schlaff und abgespannt fühlte.
Sein Blick wanderte weiter und blieb für eine Weile an Nurmer hängen, dem ältesten der Magniden. Entsprechend kehrte dieser auch mit großer Attitüde den Erfahrenen und väterlichen Freund heraus. Dass die anderen mitunter wenig Wert auf seine Ratschläge legten, störte ihn dabei kaum.
Nurmer war immer gierig auf Zusatzrationen von E-kick. Und nicht nur das. Angeblich ließ der überschlanke, glatzköpfige Mann mit dem silbernen Kinnbart sich des Öfteren junge Solanerinnen in seine Kabine bringen.
Die SOLAG hatte die Macht. Niemandem war das stärker bewusst als Deccon. Weshalb sollte sie nicht jeder auf seine ganz persönliche Weise nutzen?
Neben Nurmer hatte Lyta Kunduran Platz genommen. Sie zählte zu den Fortschrittlichen unter den Magniden. Mit ihren 29 Jahren war sie das jüngste Mitglied der Führungsgemeinschaft. Obwohl sie erst vor einem Jahr für dieses Amt berufen worden und daher zeitweilig noch unsicher war und sich bis heute nicht recht etabliert hatte, entwickelte sie doch einen hin und wieder geradezu krankhaft anmutenden Ehrgeiz.
Lyta Kunduran war übermäßig schlank, manche nannten sie durchsichtig . Ihr wächsernes Gesicht wurde von großen grauen Augen beherrscht. Trotz einer gewissen Schönheit, die ihr keinesfalls abzusprechen war, hatte sie mit Männern nichts im Sinn. Dem anderen Geschlecht gegenüber gab sie sich kalt und abweisend. Lyta lebte nur für ihre Berufung . Ihr fast paranormales Verständnis für Positroniken hatte ihr schon nach kurzer Zeit den Spitznamen Bit eingebracht.
Chart Deccon glaubte jedoch zu spüren, dass sie ihm mit einer gewissen Verehrung begegnete. Allerdings war ihr Verhältnis rein platonischer Natur. Sie bewunderte ihn wegen seiner Fähigkeiten, vor allem aber, weil er ganz oben stand und die SOL sein Schiff war.
Unter vier Augen hatte sie dem High Sideryt zu verstehen gegeben, dass sie ihm uneingeschränkt vertraute. Etwas mehr als drei Wochen lag das inzwischen zurück; genauso gut aber hätte es erst gestern gewesen sein können. Wenn man sie gefragt hätte, wer überhaupt in der Lage war, die SOL aus ihrer misslichen Lage zu befreien, hätte ihre Antwort garantiert gelautet: »Chart Deccon oder ein Wunder.«
Der High Sideryt schreckte aus seinen Gedanken auf, als Gallatan Herts endlich die Klause betrat. Ohne ein Wort der Entschuldigung ließ sich der Magnide auf dem letzten freien Platz niedersinken und lehnte sich zurück. Man hätte eine Nadel fallen hören können, so still wurde es plötzlich.
»Du kommst zehn Minuten zu spät«, stellte der High Sideryt mit gefährlich leiser Stimme fest.
»Ich weiß«, erwiderte Herts. »Aber es ist nicht meine Schuld. Dieser verwünschte Kyr-Kyr ...«
Deccon ließ den Magniden nicht ausreden.
»Ich glaube, du nimmst das ein wenig zu leicht«, grollte er. »Was wäre wohl im Falle eines Alarms geschehen?«
Gallatan Herts musste die Antwort schuldig bleiben.
»Jage diesen verlausten Extra endlich zum Teufel«, forderte Deccon. »Viele Brüder und Schwestern der SOLAG würden sich freuen, seiner Spur folgen zu dürfen.«
»Nein!« Herts sprang auf. »Keiner rührt Kyr-Kyr an!«
»Wer weiß, was Rumpelstilzchen mit dem Kleinen in seiner Kabine so alles treibt.« Die spöttische Bemerkung Nurmers reizte einige der Magniden zum Lachen. Herts sah aus, als wolle er sich im nächsten Moment auf seinen Kollegen stürzen. Chart Deccon hob beide Arme.
»Schluss mit diesen Kindereien!«, rief er laut.
Augenblicklich kehrte Ruhe ein.
»Wir schreiben heute den 7. April 3791«, fuhr der High Sideryt fort. »Seit rund sieben Wochen ist die SOL nicht mehr in dem Maß manövrierfähig, wie wir uns das wünschen würden. Der Zugstrahl, der das Schiff gefangen hält, beschränkt unseren Aktionsradius auf 1500 Kilometer. Sämtliche bisherigen Versuche, aus Mausefalle zu entkommen, scheiterten kläglich.
Trotz der sich häufig ändernden Geschwindigkeit ist inzwischen abzusehen, wann ungefähr wir das uns aufgezwungene Ziel erreichen werden. Palo, ich denke, dazu kannst du mehr sagen.«
Der Farbige nickte kurz.
»Es steht inzwischen fest, dass der Zugstrahl von Planet Nummer sieben ausgeht.
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