Atlan TH 0004 – Logbuch der SOL
Überwachungseinrichtungen vorzufinden. Die alleinige Verantwortung für die Anlage oblag SENECA, der solche Sichthilfen nicht benötigte. Der Handlungsspielraum des Menschen beschränkte sich auf die Funktionen EIN und AUS, die der Rechner – sofern er nicht auch in diesem Bereich gestört war – anhand des eingegebenen Programms realisierte. Die Maschinen und technischen Aufwendungen, die dazu erforderlich waren, befanden sich vermutlich mehrfach geschützt und gesichert in Nebenräumen.
Chart Deccon schien solche Überlegungen noch nicht angestellt zu haben. Wie erstarrt stand er da. Nur die Brust hob und senkte sich im Rhythmus seiner schnellen Atemzüge. Der Eindruck, den der Raum vermittelte, setzte ihm zu. Erst als der Boden plötzlich zu zittern begann, schreckte er auf. Für einen Moment wirkte er unsicher und verletzlich, als erwache er aus einem Traum. Dann besann er sich seiner selbst und riss sich zusammen.
»Der Quader!«, stieß er hervor.
Atlan nickte.
»Es geht wieder los«, sagte er einfach. »Wir sollten uns beeilen.«
Zielstrebig ging er auf das Bedienungselement zu. Auch die letzten Hemmungen schüttelte er nun ab. Vorsichtig wischte er den Staub von der Schaltkonsole. Mit einem Blick erfasste er die Funktionsweise des Geräts. Es war denkbar einfach gestaltet.
»Was tust du?«, fragte Chart Deccon hinter ihm. Es klang unbehaglich.
Atlan zögerte nur einen Lidschlag, dann drückte er die Kontaktplatte.
»Ich wecke die Schläfer«, antwortete er.
Der Vorgang dauerte weit über eine Stunde und verlangte von den beiden Männern ein großes Maß an Geduld und Beherrschung. Die Erschütterungen, die der Quader nach wie vor auslöste, wurden wieder heftiger. Die Zeit brannte ihnen unter den Nägeln, und noch immer war keine Aussage darüber möglich, ob die Schläfer noch lebten und die Anlage sich in einwandfreiem Zustand befand.
Nur eine Überlegung, die er sich fortwährend neu vergegenwärtigen musste, hinderte Atlan daran, den Raum vorzeitig zu verlassen. Wenn die Wiedererweckung programmgemäß ablief, würde sie nicht in wenigen Minuten beendet sein. Die Körperfunktionen der Schläfer mussten in äußerst behutsamer Weise langsam dem normalen Standard eines aktiv lebenden Menschen angeglichen werden.
Dennoch rechnete der Arkonide nach fast achtzig Minuten des Wartens, während derer sich scheinbar nichts veränderte, nicht mehr mit einem Erfolg.
Er trat dennoch ein.
Völlig unerwartet schoben sich die Abdeckungen der Schlaftanks nach hinten in die Wand. Atlan spürte, wie sein Herz abermals höher schlug. Trotz aller technisch nüchternen Erklärbarkeit empfand er den Vorgang als gespenstisch.
Er achtete kaum noch auf Chart Deccon. Langsam und vorsichtig ging er auf eines der Behältnisse zu, und er gestand sich ein, dass er Angst hatte – Angst davor, von den ehemaligen Freunden nur noch Skelette vorzufinden. Er musste sich zwingen, den entscheidenden Schritt zu tun, der den Blickwinkel so veränderte, dass er über den Rand des Tanks hinwegsehen konnte.
Da lag ein Mensch – vollständig bekleidet, die Augen geöffnet und ruhig atmend.
Die Tatsache, dass der Tiefschlaf offenbar in einem modernen Verfahren durch paraenergetische Schwingungen realisiert worden war – die Kleidung und das Fehlen jeglicher Kontakte und Sensoren im Innern der Schlafkammer wiesen darauf hin –, registrierte der Arkonide nur am Rande. Es war nicht wichtig.
Der Mensch lebte – nur das war maßgebend.
Alle Unsicherheit und Furcht, die ganze innere Spannung, unter der Atlan gestanden hatte, löste sich in einem befreienden Schrei.
»Josc ...! Joscan Hellmut ...!«
Langsam, als falle es ihm schwer, seine Gedanken zu ordnen, richtete der Mann sich auf. Der Arkonide sprang hinzu. Lachend reichte er ihm die Hand und half ihm, die Schlafkammer zu verlassen.
»Du ...«, stammelte der Kybernetiker, und seine Augen blickten verwirrt. »Du bist ... Atlan ...«
»Atlan, ja!«
Er musste sich zusammenreißen, um Joscan nicht an den Schultern zu packen und zu versuchen, ihn wach zu rütteln. Selten hatte er über ein Wiedersehen so große Genugtuung und Freude, aber auch Erleichterung empfunden. Er war nicht mehr allein im Hexenkessel der SOL! Er hatte Freunde!
Gewaltsam unterdrückte er die ihn erfüllende Euphorie. Sie war nicht angebracht. Joscan Hellmut war nicht der Einzige, der sich wieder zurechtfinden musste.
Er wandte sich um. In dieser Situation, das musste er neidlos zugestehen, hatte der
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