Atlan TH 0006 – Stadt der Freien
folgten ihm in kurzen Abständen.
Aber wenigstens war es hier relativ warm, sodass sie nicht erfrieren würden. Nur die Schmerzen in den sich langsam erwärmenden Körperteilen waren alles andere als angenehm.
»Ich habe euch vor dem tausendfachen kalten Tod gewarnt«, pfiff Kuno und quietschte kläglich. »Jetzt werdet ihr sterben.«
»Nicht hier«, erwiderte Atlan. Er sah sich um. Die blinkenden Augenzellen des kleinen Roboters schufen gemeinsam mit einigen rötlich glimmenden Flecken an der Decke ein schwaches Zwielicht, das jedoch ausreichte, um die Umgebung zu erkennen, sobald sich die Augen umgestellt hatten.
»Es ist eine Art Vogelnest«, sagte Bjo Breiskoll. »Gepolstert mit Flaumfedern, die allerdings aus synthetischem Material hergestellt sind.«
»Nichts anfassen!«, sagte Atlan zu Gavro Yaal, der nach einem der jungen Pinguinwesen greifen wollte. »Die Kinder sind durch unser Auftauchen erschreckt worden, aber sie werden sich an uns gewöhnen.«
»Wozu soll das gut sein?«, fragte Gavro Yaal.
»Wahrscheinlich kommen wir nur mithilfe ihrer Eltern wieder hier heraus«, antwortete der Arkonide. »Aber sie werden uns kaum trauen, wenn sie sehen, dass ihre Kinder sich vor uns fürchten, oder wenn sie gar glauben, wir wollten ihnen etwas antun.«
Er öffnete eine Packung Konzentrate, nahm einen Riegel heraus und hielt ihn den Kindern auf der Handfläche hin. Zuerst verstummten sie und blickten ihn aus großen Augen an, doch dann rappelte sich eines der langbeinigen Geschöpfe auf, kroch näher und schnappte sich den Konzentratriegel mit dem Schnabel.
»Sie benutzen ihre Hände nicht«, stellte Joscan Hellmut fest. »Diese Spezies kann nicht sehr intelligent sein.«
»Sie ist intelligent«, widersprach Bjo Breiskoll. »Wir haben doch die Erwachsenen gesehen, und zumindest einer hielt die Spritze eines Sprühgeräts in den an Flügelstummeln sitzenden Händen.«
Die Kinder piepsten plötzlich aufgeregt, dann sperrten sie ihre Schnäbel weit auf und richteten sie nach oben. Sekunden später schnarrte es leise an der Decke, dann fielen Brocken einer undefinierbaren Substanz herab.
»Was ist das für Zeug?«, schimpfte Gavro Yaal und klaubte sich einen der klebrigen Brocken aus dem Haar.
»Futter«, erklärte Atlan und sah zu, wie die Kinder sich um die Nahrung balgten und gleich darauf die Schnäbel erneut aufrissen. »Das Zeug riecht unzweifelhaft nach Fisch, scheint aber synthetischer Herkunft zu sein.«
Abermals regneten Nahrungsbrocken aus Öffnungen in der Decke. Diesmal bekamen die vier Raumfahrer den vollen Segen ab. Joscan Hellmut schüttelte sich vor Ekel, als ein Brocken ihm mitten ins Gesicht fiel. Gavro Yaal fluchte unterdrückt.
»Die Bewohner der Schweigenden Häuser müssen sich auf ihrer Heimatwelt aus den tierischen Vertretern wechselwarmer Lebewesen entwickelt haben«, sagte Atlan und wischte einen klebrigen Brocken von seinem rechten Hosenbein. »Mir ist eine gewisse Ähnlichkeit mit terranischen Pinguinen aufgefallen, und Pinguine leben ebenfalls in eisiger Kälte und ernähren sich hauptsächlich von Fischen. Wahrscheinlich sind die Schweigenden Häuser den Bedürfnissen der Erwachsenen entsprechend klimatisiert. Nur die Jungen brauchen Wärme, weil ihr Federkleid noch unzureichend entwickelt ist und sie noch keine Speckschicht angesetzt haben.«
»Verrückt«, sagte Joscan Hellmut. »Ich muss hier raus, Atlan. Mir ist übel. Dieses Futter stinkt fürchterlich.«
»Ich finde, es riecht gar nicht so übel«, erwiderte Bjo Breiskoll.
»Es riecht nach Fisch«, sagte Atlan. »Habt ihr niemals Fisch gegessen?«
»Früher schon, als wir Solgeborenen die SOL noch nicht selbst führten«, erwiderte Gavro Yaal. »Ich erinnere mich, dass ein Lebensmittelbeschaffungskommando einmal eine Ladung tiefgekühlter Fische zurückbrachte. Sie wurden gebraten und gekocht, aber sie rochen ganz anders als dieses Zeug hier.«
Atlan lachte. »Das ist nachvollziehbar, Gavro. Hier handelt es sich ja auch um zerkauten und eingespeichelten Frischfisch, wenn auch wahrscheinlich synthetisch hergestellt. Oh, Verzeihung, Jos.« Mitleidig musterte er den Kybernetiker, der sich würgend übergab.
»Wie können wir uns den Pinguinen verständlich machen?«, fragte der Katzer. »Sie haben uns vorhin überhaupt nicht beachtet, was sich vielleicht mit der Eile erklären lässt, mit der sie bestrebt waren, das Loch in ihrer Hauswand abzudichten. Aber ich begreife nicht, warum sie keine Notiz davon nehmen,
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