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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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vollständig versiegt. Das Klicken der Pool- und Karambolage-Kugeln hatte aufgehört. Bobby schaute sich um und spürte wieder die Schlangen in seinem Magen.
    Es schauten ihn nicht alle an, aber die meisten schon. Der alte Gee starrte mit Augen, die wie in schmutziges Papier gebrannte Löcher aussahen, zu ihm herüber. Und obwohl das Fenster in Bobbys Geist jetzt beinahe undurchsichtig war - mit Schmierseife bestrichen -, spürte er, dass viele der Anwesenden ihn in gewisser Weise erwartet hatten. Er bezweifelte, dass sie es wussten, und selbst wenn, dann wussten sie bestimmt nicht, weshalb. Sie schliefen irgendwie, ähnlich wie die Einwohner von Midwich. Die niederen Männer waren da gewesen. Die niederen Männer hatten …
    »Verschwinde, Randy«, sagte Alanna mit einem trockenen kleinen Flüstern. In ihrer Verzweiflung hatte sie Bobby beim Namen seines Vaters genannt. »Verschwinde, solange du noch kannst.«
    Der alte Gee war vom Schuhputzerstuhl geglitten. Seine zerknitterte Leinenjacke verfing sich an einem der Fußpodeste und zerriss, als er weiterging, aber er achtete überhaupt nicht darauf, als das Seidenfutter wie ein Spielzeugfallschirm neben seinem Knie herabsank. Seine Augen sahen mehr denn je wie eingebrannte Löcher aus. »Schnappt ihn euch«, sagte der alte Gee mit zitternder Stimme. »Schnappt euch den Jungen.«
    Bobby hatte genug gesehen. Hier hatte er keine Hilfe zu erwarten. Er rannte zur Tür und riss sie auf. Ihm war, als würden sich hinter ihm einige Leute in Bewegung setzen, aber nur langsam. Zu langsam.
    Bobby Garfield lief in die Nacht hinaus.

     
    Er rannte fast zwei komplette Blocks weit, bevor ihn Seitenstechen dazu zwang, langsamer zu werden und dann stehen zu bleiben. Niemand folgte ihm, und das war gut, aber wenn Ted ins Corner Pocket ging, um sein Geld zu kassieren, war er erledigt, fertig, im Eimer . Jetzt hatte er nicht nur die niederen Männer am Hals, sondern auch noch den alten Gee und die anderen, und Ted wusste es nicht. Die Frage war, was konnte Bobby dagegen tun?
    Er schaute sich um und sah, dass es hier keine Ladenfronten mehr gab; er war in eine Gegend mit Lagerhäusern gekommen. Sie ragten wie riesige Gesichter auf, deren Züge größtenteils ausgelöscht worden waren. Es roch nach Fisch und Sägespänen, und ein undeutlicher fauliger Gestank lag in der Luft - vielleicht der von altem Fleisch.
    Er konnte gar nichts tun. Er war nur ein Kind, und er war machtlos. Bobby erkannte das, aber ihm war auch klar, dass er Ted nicht ins Corner Pocket gehen lassen konnte, ohne wenigstens den Versuch zu unternehmen, ihn zu warnen. Darin lag nichts Heldenhaftes, wie bei den Hardy Boys; er konnte einfach nicht weggehen, ohne es zu versuchen. Und es war seine Mutter, die ihn in diese Lage gebracht hatte. Seine eigene Mutter.
    »Ich hasse dich, Mama«, flüsterte er. Er fror immer noch, obwohl ihm der Schweiß aus allen Poren lief; jeder Zentimeter seiner Haut fühlte sich nass an. »Es ist mir egal, was Don Biderman und diese anderen Kerle dir angetan haben, du bist ein Miststück, und ich hasse dich.«
    Bobby machte kehrt und trabte den Weg zurück, den er gekommen war. Er hielt sich im Schatten. Zweimal hörte er Leute kommen und drückte sich in Hauseingänge, machte sich klein, bis sie vorbeigegangen waren. Sich klein zu machen
war leicht. Er hatte sich noch nie im Leben so klein gefühlt.
     
    Diesmal ging er in die Gasse hinein. Auf einer Seite standen Mülleimer, auf der anderen erhob sich ein Stapel Kartons voller Pfandflaschen, die nach Bier rochen. Diese Pappsäule war zehn bis zwanzig Zentimeter größer als Bobby, und als er dahintertrat, war er von der Straße aus nicht mehr zu sehen. Während er wartete, streifte ihn einmal etwas Warmes, Pelziges am Knöchel, und ein Schrei stieg ihm in der Kehle hoch. Er erstickte ihn weitgehend, bevor er herauskommen konnte, schaute nach unten und sah eine verwahrloste Katze, die mit grünen Scheinwerferaugen zu ihm hochblickte.
    »Verschwinde, blödes Vieh«, flüsterte Bobby und trat nach ihr. Die Katze entblößte ihre nadelspitzen Zähne, fauchte und stolzierte dann langsam durch die Gasse davon, um die Müllhaufen und die Glasscherben herum, den Schwanz auf eine Weise in die Höhe gereckt, die verächtlich wirkte. Durch die Ziegelmauer neben ihm hörte Bobby das dumpfe Wummern der Jukebox im Corner Pocket. Mickey und Sylvia sangen »Love Is Strange«. Ja, wahrhaftig, die Liebe war seltsam. Eine seltsame Angelegenheit, die einem den

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