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Atlantis

Titel: Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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»Außerdem sind die Leute auf dem Kreuzer Erwachsene. Erwachsene brauchen nicht gerettet zu werden.«

    »Nein?«
    »Nein.«
    »Nie?«
    Bobby dachte auf einmal an seine Mutter und ihr Benehmen, wenn es um Geld ging. Dann erinnerte er sich an die Nacht, in der er aufgewacht war und geglaubt hatte, sie weinen zu hören. Er antwortete nicht.
    »Denk drüber nach«, sagte Ted. Er zog kräftig an seiner Zigarette und stieß eine Rauchwolke aus. »Gute Bücher sind auch dazu da, dass man hinterher über sie nachdenkt.«
    »Okay.«
    » Herr der Fliegen war was anderes als die Hardy Boys, stimmt’s?«
    Bobby sah ganz kurz und sehr deutlich vor sich, wie Frank und Joe Hardy mit selbst gebastelten Speeren durch den Dschungel rannten und dabei sangen, dass sie das Schwein totstechen und ihm ihre Speere in den Arsch stoßen würden. Er lachte schallend los, und als Ted in das Gelächter einfiel, wusste Bobby, dass er mit den Hardy Boys, Tom Swift, Rick Brant und Bomba, dem Dschungelboy, fertig war. Herr der Fliegen hatte ihnen den Garaus gemacht. Er war sehr froh, dass er einen Leserausweis für Erwachsene hatte.
    »Ja«, antwortete er. »Das kann man wohl sagen.«
    »Und gute Bücher geben nicht all ihre Geheimnisse auf einmal preis. Wirst du dir das merken?«
    »Ja.«
    »Na prima. Und jetzt sag mir - möchtest du dir einen Dollar pro Woche bei mir verdienen?«
    Der Themenwechsel war so abrupt, dass Bobby zuerst gar nicht mitkam. Dann grinste er und sagte: »Na klar, und
ob!« Zahlen kreisten schwindelerregend in seinem Kopf; Bobby war gut genug in Mathe, um sich auszurechnen, dass er bei einem Dollar pro Woche bis September mindestens fünfzehn Dollar verdienen würde. Dazu das, was er schon hatte, plus eine halbwegs ordentliche Pfandflaschenernte und ein paar sommerliche Rasenmähjobs in der Straße … Herr im Himmel, da konnte er vielleicht schon am Labor Day Anfang September das Schwinn fahren. »Was soll ich tun?«
    »Wir müssen vorsichtig sein. Sehr vorsichtig.« Ted dachte schweigend nach - so lange, dass Bobby schon zu fürchten begann, er würde wieder damit anfangen, dass er irgendwas hinter den Augen spürte. Doch als Ted aufschaute, war nichts von dieser seltsamen Leere in seinen Augen. Sein Blick war scharf, wenn auch ein bisschen reumütig. »Ich würde einen Freund - besonders einen jungen Freund - nie auffordern, seine Eltern anzulügen, Bobby, aber in diesem Fall muss ich dich bitten, bei einem kleinen Ablenkungsmanöver mitzumachen. Weißt du, was das ist?«
    »Klar.« Bobby dachte an Sully und seine neue Wunschkarriere, mit dem Zirkus umherzureisen, einen schwarzen Anzug zu tragen und Kaninchen aus dem Hut zu ziehen. »Das macht der Zauberer, um einen reinzulegen.«
    »Klingt nicht sehr nett, wenn man es so ausdrückt, wie?«
    Bobby schüttelte den Kopf. Nein, wenn man den Flitter und die Scheinwerfer wegnahm, klang es überhaupt nicht nett.
    Ted trank einen Schluck Rootbeer und wischte sich Schaum von der Oberlippe. »Deine Mutter, Bobby. Sie hasst mich zwar nicht direkt, ich glaube, es wäre nicht fair, das
zu behaupten aber ich denke, sie mag mich nicht besonders. Siehst du das auch so?«
    »Glaub schon. Als ich ihr erzählt habe, Sie hätten womöglich einen Job für mich, hat sie ganz komisch reagiert. Sie meinte, ich müsste ihr immer erzählen, was ich für Sie tun soll, bevor ich es tun dürfte.«
    Ted Brautigan nickte.
    »Ich glaube, das kommt alles daher, dass Sie bei Ihrem Einzug einen Teil Ihrer Sachen in Papiertüten hatten. Ich weiß, das klingt verrückt, aber anders kann ich’s mir nicht erklären.«
    Er dachte, Ted würde vielleicht lachen, aber er nickte nur erneut. »Vielleicht liegt es bloß daran. Jedenfalls möchte ich nicht, Bobby, dass du den Wünschen deiner Mutter zuwiderhandelst.«
    Das klang gut, aber Bobby Garfield glaubte es nicht so ganz. Wenn es wirklich wahr wäre, gäbe es keinen Grund für ein Ablenkungsmanöver.
    »Sag deiner Mutter, dass meine Augen jetzt sehr schnell müde werden. Das ist die Wahrheit.« Wie zum Beweis dafür hob Ted die rechte Hand ans Gesicht und massierte die Augenwinkel mit Daumen und Zeigefinger. »Sag ihr, ich würde dich gern anheuern, damit du mir jeden Tag ein bisschen was aus der Zeitung vorliest. Dafür zahle ich dir einen Dollar pro Woche - einen Stein, wie dein Freund Sully es nennt.«
    Bobby nickte … aber ein Dollar pro Woche dafür, dass er vorlas, wie Kennedy in den Vorwahlen abschnitt und ob Floyd Patterson im Juni gewinnen würde

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