Atlantis
und Gras. All die vergangenen Sommer. Der Sommer des Jahres 1960 zum Beispiel, als er nach seiner Woche im Camp zurückgekommen war und feststellen musste, dass sich alles verändert hatte - Bobby war mürrisch, Carol abweisend, blass und grüblerisch (zumindest für eine Weile), und der coole alte Typ, der im zweiten Stock von Bobbys Haus gewohnt hatte - Ted -, war weg. Alles hatte sich verändert … aber es war immer noch Sommer, er war immer noch elf, und alles war ihm immer noch so erschienen, als wäre es …
»Ewig«, murmelte er in den Handschuh und atmete dessen Geruch erneut tief ein, während in der Nähe ein gläserner Schaukasten voller Schmetterlinge auf dem Dach eines Brot-Lieferwagens zerbrach und ein Stoppschild vibrierend in der Standspur stecken blieb wie ein geworfener Speer. Sully erinnerte sich an seinen Bolo-Bouncer, an seine schwarzen
Keds und den Geschmack von Pez direkt aus der Pistole, wenn sie gegen den Gaumen trafen und dann auf der Zunge landeten; er erinnerte sich daran, wie seine Fängermaske sich angefühlt hatte, wenn sie genau richtig auf seinem Gesicht saß, an das hischa-hischa-hischa der Rasensprenkler auf der Broad Street, daran, wie sauer Mrs. Conlan wurde, wenn man ihren kostbaren Blumen zu nahe kam, und an Mrs. Godlow im Asher Empire, die eine Geburtsurkunde sehen wollte, wenn sie fand, dass man zu groß war, um noch als unter zwölf durchzugehen; er erinnerte sich an das Plakat mit Brigitte Bardot
(wenn die billig ist, dann würd ich sie gern kaufen)
in ihrem Handtuch, daran, wie sie einander im Spiel wilde Feuergefechte geliefert, wie sie Werfen geübt und gespielt hatten, was sie werden wollten, und wie sie in der vierten Klasse hinten in Mrs. Sweetsers Klassenzimmer mit dem Mund Furzgeräusche in der Armbeuge gemacht hatten, und …
»He, Amerikaner.« Nur dass sie Amellikanel sagte, und Sully wusste, wen er sehen würde, noch bevor er den Kopf von Bobbys Alvin-Dark-Handschuh hob. Es war die alte mamasan , die zwischen dem Feuerstuhl, der von einer Kühltruhe zermalmt worden war (eingeschweißtes Fleisch ergoss sich in eisigen Blöcken aus ihrem zerstörten Deckel), und einem Subaru stand, dessen Dach ein Gartenflamingo durchstoßen hatte. Die alte mamasan mit ihrer grünen Hose, dem orangefarbenen Kittel und den roten Schuhen, die alte mamasan , strahlend hell wie ein Kneipenschild in der Hölle.
»He, Amerikaner, du kommen mit, ich beschützen.« Und sie streckte die Arme aus.
Sully ging durch den tosenden Hagelschauer herabfallender Fernsehgeräte, Gartenpools, Zigarettenstangen, hochhackiger Schuhe, einer riesigen Trockenhaube samt Ständer und eines Münzfernsprechers, der beim Aufschlag einen Jackpot an Münzen erbrach, auf sie zu. Er ging mit einem Gefühl der Erleichterung auf sie zu, jenem Gefühl, das man nur hat, wenn man nach Hause kommt.
»Ich beschützen.« Ihre Arme waren nun weit ausgebreitet. »Armer Junge, ich beschützen.« Sully trat in den toten Kreis ihrer Umarmung, während um ihn herum schreiende Menschen durcheinanderliefen und alle möglichen amerikanischen Dinge vom Himmel stürzten und die I-95 nördlich von Bridgeport mit ihrem fallenden Flitter bombardierten. Sie legte die Arme um ihn.
»Ich beschützen«, sagte sie, und Sully war in seinem Wagen. Überall um ihn herum stand der Verkehr, auf allen vier Spuren. Das Radio lief, und der eingestellte Sender war WKND. Die Platters sangen »Twilight Time«, und Sully bekam keine Luft. Nichts schien vom Himmel gefallen zu sein, abgesehen von dem Verkehrsstau schien alles in Ordnung zu sein, aber wie war das möglich? Wie war das möglich, wenn seine Hand immer noch in Bobby Garfields altem Baseballhandschuh steckte?
»Ich beschützen«, sagte die alte mamasan . »Armer Junge, armer amerikanischer Junge, ich beschützen.«
Sully konnte nicht atmen. Er wollte sie anlächeln. Er wollte ihr erklären, dass es ihm leidtat, dass einige von ihnen es zumindest gut gemeint hatten, aber er bekam keine Luft, und er war sehr müde. Er schloss die Augen und versuchte, Bobbys Handschuh ein letztes Mal hochzuheben, einen letzten, leisen Hauch jenes öligen, sommerlichen Geruchs zu erhaschen, aber er war zu schwer.
Am nächsten Morgen stand Dieffenbaker am Küchentresen - er trug nur eine Jeans, sonst nichts - und schenkte sich eine Tasse Kaffee ein, als Mary aus dem Wohnzimmer kam. Sie hatte ihr EIGENTUM DER DENVER BRONCOS-Sweatshirt an und die New Yorker Post in der Hand.
»Ich glaube, ich habe
Weitere Kostenlose Bücher