Atlantis
wie die Hand mit dem Kleenex sich spannte, fast zu einer Faust wurde, wie sie den Atem einsog und sich gerader hinsetzte, bereit zum Kampf, wenn man sich mit ihr anlegen wollte.
»Was ist?«, fragte sie ihn. »Hast du wieder mal irgendwas unheimlich Wichtiges auf dem Herzen?«
»Nein«, sagte er. Seine Stimme klang selbst in seinen eigenen Ohren verlegen und sonderbar schüchtern. »Ich war im Sterling House. Die Baseball-Listen hängen aus. Ich bin diesen Sommer wieder bei den Wolves.«
Sie nickte und entspannte sich ein bisschen. »Nächstes Jahr schaffst du’s bestimmt zu den Lions.« Sie stellte ihren Nähkorb von der Schaukel auf den Verandaboden und klopfte dann auf den leeren Platz. »Setz dich eine Minute zu mir, Bobby. Ich muss dir was erzählen.«
Bobby setzte sich mit einem beklommenen Gefühl hin - immerhin hatte sie geweint, und sie klang sehr ernst -, aber wie sich herausstellte, war es keine große Sache, jedenfalls nicht, soweit er sehen konnte.
»Mr. Biderman - Don - hat mich eingeladen, mit ihm, Mr. Cushman und Mr. Dean zu einem Seminar nach Providence zu fahren. Das ist eine große Chance für mich.«
»Was ist ein Seminar?«
»Eine Art Konferenz - Leute treffen sich, um etwas über ein Thema zu lernen und darüber zu diskutieren. Diesmal geht es um Immobilien in den Sechzigerjahren. Ich war sehr überrascht, dass Don mich eingeladen hat. Bill Cushman und Curtis Dean, die sind Makler, und ich wusste natürlich, dass sie mitfahren würden. Aber dass Don mich gefragt hat …« Sie verstummte für einen Moment, dann drehte sie sich zu Bobby um und lächelte. Er fand, dass es ein ehrliches Lächeln war, aber es stand in einem seltsamen Kontrast zu ihren geröteten Lidern. »Ich wollte selber schon seit ewigen Zeiten Maklerin werden, und jetzt das, aus heiterem Himmel. Es ist eine große Chance für mich, Bobby, und es könnte für uns eine große Veränderung bedeuten.«
Bobby wusste, dass seine Mutter Immobilien verkaufen wollte. Sie hatte Bücher über das Thema und las fast jeden Abend ein bisschen darin, wobei sie oft irgendwas unterstrich. Aber wenn es so eine große Chance war, weshalb hatte es sie dann zum Weinen gebracht?
»Tja, das ist gut«, sagte er. »Echt super. Ich hoffe, du lernst viel. Wann ist es?«
»Nächste Woche. Wir fahren alle vier Dienstag früh los und kommen Donnerstagabend gegen acht Uhr zurück. Die Sitzungen sind alle im Warwick Hotel, und da werden wir auch wohnen - Don hat die Zimmer schon gebucht. Ich hab seit zwölf Jahren nicht mehr in einem Hotel gewohnt, glaube ich. Ich bin ein bisschen nervös.«
Bobby fragte sich, ob Nervosität ein Grund zum Weinen war. Vielleicht, wenn man erwachsen war - und besonders, wenn man eine erwachsene Frau war.
»Ich möchte, dass du S-J fragst, ob du Dienstag und Mittwoch bei ihm schlafen kannst. Ich bin mir sicher, dass Mrs. Sullivan …«
Bobby schüttelte den Kopf. »Das geht nicht.«
»Warum denn nicht? « Liz warf ihm einen bösen Blick zu. »Mrs. Sullivan hat doch noch nie was dagegen gehabt, dass du bei ihm übernachtest. Du hast es dir doch nicht etwa mit ihr verdorben, oder?«
»Nein, Mama. Es ist nur so, dass S-J eine Woche in Camp Winnie gewonnen hat.« Der Klang all dieser Ws, die aus seinem Mund kamen, reizte ihn zu einem Lächeln, aber er beherrschte sich. Seine Mutter sah ihn noch immer mit diesem bösen Blick an … Und lag darin nicht auch eine Art Panik? Panik oder so etwas Ähnliches?
»Was ist Camp Winnie? Wovon redest du?«
Bobby erklärte, dass S-J die Gratiswoche in Camp Winiwinaia gewonnen hatte und dass Mrs. Sullivan in dieser Zeit ihre Eltern in Wisconsin besuchen würde - Pläne, die inzwischen schon feststanden, samt großem grauem Hund und allem.
»Verdammt, ich hab immer solches Glück«, sagte seine Mutter. Sie fluchte so gut wie nie, weil sie der Meinung war, dass Fluchen und »schmutzige Worte«, wie sie es nannte, die Sprache der Unwissenden seien. Jetzt ballte sie eine Faust und schlug auf die Armlehne der Schaukel. » Gott verdammt!«
Sie saß eine Weile da und überlegte. Bobby überlegte ebenfalls. Seine einzige andere enge Freundin in der Straße war Carol, und er bezweifelte, dass seine Mutter Anita Gerber anrufen und sie fragen würde, ob er bei ihr bleiben konnte. Carol war ein Mädchen, und irgendwie machte das einen Unterschied, wenn es ums Übernachten ging. Und bei Freunden oder Freundinnen seiner Mutter? Die Sache war nur, dass sie eigentlich keine hatte … außer
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