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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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Ich hatte meine Unterwäsche an, da ich immer so schlief. Meine Eltern trugen Bademäntel über ihren Pyjamas, ihre Haare waren völlig zerzaust, und wir gerieten uns dauernd in die Quere, während wir von einer undichten Stelle zur nächsten rasten.
    Das Haus sollte perfekt sein, war es aber nicht. Und aus irgendeinem Grund fühlte ich mich deshalb besser, als ich mich seit Wochen gefühlt hatte, so als hätte der Druck auf meiner Brust ein wenig nachgelassen. Mir war lange nicht zum Lachen zumute gewesen, und es sollte lange dauern, bis ich wieder einen Anlass dazu hatte, doch in jener Nacht konnte ich einfach nicht aufhören zu lachen.
    »Das sagt mir nichts«, meinte Nicki, die immer noch versuchte, die leere Schale auf dem Teppichboden zum Kreiseln zu bringen.
    Nervös knetete ich das Couchkissen unter mir durch. »Ich rede nicht gern über diese Sache.«
    »Ist schon okay. Ich hör dir zu.«
    Während das Haus hier ein neues Dach bekam und abgedichtet wurde, mieteten wir ein Haus in Seaton. Meine Mutter war stinksauer und dokumentierte jeden Schritt der Reparaturarbeiten, um Material für den Prozess zusammenzubekommen, den sie schließlich gegen den Bauunternehmer anstrengte. Wir lebten inmitten von Kartons und Koffern, während die meisten unserer Möbel hierblieben und mit Plastikplanen abgedeckt wurden. In dem gemieteten Haus war mir alles fremd. Wenn ich nachts zur Toilette musste, rannte ich gegen irgendwelche Wände. Nichts gehörte mir dort.
    Als wir umzogen, versäumte ich ein paar Tage Unterricht, darunter auch die Tage, an denen ich probeweise bei der Baseballmannschaft hatte mitspielen wollen. Und dann bekam ich eine üble Halsentzündung mit Schüttelfrost und Fieber und konnte mich kaum noch bewegen. Was dazu führte, dass ich noch mehr Unterricht verpasste.
    Wie sich herausstellte, hatte ich Drüsenfieber. Ich war so krank, dass ich zum Klo kriechen musste. An einer bestimmten Stelle im Korridor, wo meine Mutter ein Nachtlicht in Form einer Muschelschale angebracht hatte, machte ich immer halt und blieb eine Weile liegen, die Wange gegen die rauen Fasern des Teppichbodens gepresst, starrte zum Nachtlicht hoch und sammelte Kraft für den zweiten Teil des Wegs. Von den zwei Wochen, in denen ich krank war, habe ich hauptsächlich dieses Nachtlicht in Erinnerung behalten.
    Der Coach teilte mir mit, dass ich Baseball erst mal vergessen könne. Er sagte, ich sei ja ohnehin noch im ersten Jahr und könne mein Glück dann im nächsten Jahr versuchen, doch ich glaubte inzwischen kaum noch daran, dass ich je wieder Baseball spielen würde. Wegen des Drüsenfiebers musste ich auch mit dem Joggen aufhören. Das hatte ich zwar nur so zum Spaß gemacht, nicht als Leistungssport, aber es gefiel mir, weil mir das Blut dann durch den Körper brauste und das Gefühl, als lebte ich hinter einer Glasscheibe, ein wenig nachließ.
    Hinzu kam, dass ich mich in der neuen Schule immer noch nicht richtig auskannte, und dass ich nun so viel Unterricht versäumte, war da nicht gerade hilfreich.
    Am schlimmsten war jedoch dieses unterschwellige Gefühl, das ich schon mehrmals gehabt hatte, obwohl es immer wieder weggegangen war – ein Gefühl der Erstarrung. Als sei eine Glasscheibe zwischen mir und dem Rest der Welt. Ein erdrückendes Gefühl der Isolation, als würde ich am Alleinsein sterben, ganz gleich, von wie vielen Menschen ich umgeben war.
    Nicki griff nach meiner Hand. Ich zwang mich, durch sie hindurchzusehen und weiterzureden, denn wenn ich jetzt aufhörte und mich auf ihre Berührung einließ, würde ich das mit der Garage nie erzählen können.
    Diese innere Starre und Leere schien ewig zu dauern, aber wahrscheinlich waren es nur ein paar Monate. Im Frühjahr sollten wir wieder in unser Haus einziehen können, doch aus unerfindlichen Gründen unterbrachen die Handwerker ihre Arbeit immer wieder und verschwanden dann tagelang. Meine Mutter war von dem Haus wie besessen. Mein Vater ging auf Reisen und fragte, als er zurückkam: »Sind die immer noch nicht fertig?« Ich hatte keine Freunde an der Schule. Das Drüsenfieber hatte ich hinter mir, sodass ich zumindest wieder am Unterricht teilnehmen konnte. Nur Joggen fiel immer noch flach. Wenn ich aus der Schule nach Hause kam, ging ich gleich ins Bett. Und in meinem Kopf war nach wie vor dieser Nebel, dieses Gefühl der Isolation. Die Hälfte der Zeit wusste ich überhaupt nicht, was Sache war. Selbst das Atmen fiel mir schwer.
    Das Haus, das wir gemietet hatten,

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