Atme nicht
hatte eine Garage. Eines Nachts ging ich nach unten, um den Motor des Autos anzulassen. Meine Mutter war bereits im Bett, mein Vater hatte eine Besprechung und war noch nicht wieder da. Ich hatte zwar keinen Führerschein, wusste aber, wie man ein Auto startet. Ich kurbelte die Autofenster runter und ließ die Garagentür zu. Ich hatte mal gehört, dass es nur wenige Minuten dauern würde, bis sich eine Garage mit tödlichen Abgasen füllte. Nachdem ich den Zündschlüssel umgedreht hatte, ließ ich den Motor ungefähr eine Minute laufen.
Dann stellte ich ihn wieder ab, weil mir plötzlich etwas einfiel, das ich ebenfalls mal gehört hatte, nämlich dass die Abgase auch ins Haus drangen und die Leute dort umbrachten. Ich stieg aus dem Wagen, fand ein paar Laken und Handtücher, die jemand zum Abdecken benutzt hatte, und dichtete damit die Ritze unter der Tür ab, die von der Garage ins Haus führte.
Als ich wieder im Wagen saß, brachte ich es nicht fertig, den Zündschlüssel erneut umzudrehen. Was, wenn die Handtücher und Laken nicht ausreichten? Sie bestanden nur aus Baumwolle und ließen möglicherweise die Abgase durch. Was, wenn ich meine Mutter umbrachte?
Und wollte ich mir selbst das wirklich antun?
Doch mir fiel kein anderer Ausweg ein. Ich wusste nicht, wie alles besser werden sollte, sah keine Möglichkeit, den Nebel und die Dunkelheit zu vertreiben. Gleichzeitig fiel es mir unendlich schwer, diesen Zündschlüssel umzudrehen.
Ich saß im Auto, die Hand am Zündschloss, und überlegte hin und her. Überlegte und überlegte.
Nach einer Weile ging rumpelnd die Garagentür auf und mein Vater kam herein. »Was zum Teufel machst du denn da?«, fragte er, als er mich sah. »Was hast du im Auto zu suchen? Du hast doch gar keinen Führerschein.«
Ich sah ihn bloß an. Offenbar dachte er, ich wolle eine kleine Spritztour machen, doch dann bemerkte er die Handtücher an der Türritze. Abrupt drehte er den Kopf wieder in meine Richtung, ließ den Blick von den offenen Autofenstern zur Garagentür wandern, die bis eben geschlossen gewesen war.
Nicki drückte mir so heftig die Hand, dass ich fast aufgehört hätte zu reden. Aber da ich nun einmal so weit gekommen war, konnte ich den Rest auch gleich noch erzählen.
»Hast du den Motor angelassen?«, fragte mein Dad. »Weißt du denn nicht, dass man das in geschlossenen Räumen nicht darf?«
»Doch, weiß ich«, erwiderte ich. Mehr brachte ich nicht heraus. Wir starrten einander an. Ich glaube, er wartete darauf, dass ich ihn beruhigte und sagte, dass die Dinge anders lagen, als sie aussahen, obwohl wir beide wussten, was Sache war.
Er schnupperte. »Hast du den Motor laufen lassen?«
»Nur ganz kurz«, sagte ich.
»Wo zum Teufel ist deine Mutter?«
Ich zeigte auf die Verbindungstür zum Haus.
»Raus aus dem Auto!«
Doch ich konnte mich nicht von der Stelle rühren und ließ den Kopf aufs Lenkrad sinken. Er rannte ins Haus, um meine Mutter zu holen.
»Ob mein Dad wohl erst den Finger auf den Abzug gelegt hat, ohne abzudrücken?«, flüsterte Nicki. »Ich meine, ob er gezögert hat, verstehst du.«
Ich wusste es nicht, aber ich hielt es jedenfalls für sehr wahrscheinlich. Möglicherweise hatte er genauso lange mit dem Finger am Abzug dagesessen, wie ich mit der Hand am Zündschlüssel im Auto gesessen hatte.
Mein Vater brachte mich in die Notaufnahme, wo man mich untersuchte, um festzustellen, ob ich eine Kohlenmonoxidvergiftung hatte. Was natürlich nicht der Fall war. Doch die Schwester fragte mich, ob ich versucht hätte, mir etwas anzutun.
»Ja«, sagte ich, »aber ich bin darin nicht sehr geschickt.«
Ich fand meine Antwort saukomisch, fast so lustig wie die Situation, als wir in unserm Haus herumgerannt waren, um die undichten Stellen abzudichten. Doch statt zu lachen, holte die Schwester ein paar andere Leute, die sich mit mir unterhielten. Nachdem sie mir weitere Fragen dieser Art gestellt hatten, teilten sie meinem Vater mit, dass ich nicht nach Hause zurückkehren könne, weil ich eine Gefahr für mich selbst darstellte.
»Ich komm mir aber gar nicht gefährlich vor«, sagte ich zu irgendjemand, einer Schwester oder Assistenzärztin oder so. Trotzdem wurde ich eingewiesen.
Am nächsten Tag erzählte ich der Psychologin des Krankenhauses, dass ich eigentlich gar nichts gemacht, das heißt den Motor nur ganz kurz angelassen hätte. Sie erwiderte, meine Eltern hätten letzte Nacht mein Zimmer durchsucht und dabei zehn Flaschen mit
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