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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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rumhängst, wissen verschiedene Leute. Weil sie dich gesehen haben. Deshalb wusste ich auch, wo ich dich finden kann.«
    Sie warf mir den Ball zu, den ich auffing und festhielt. Es war mir nie in den Sinn gekommen, dass sie gezielt nach mir gesucht haben könnte. Ich hatte immer angenommen, unser Treffen am Wasserfall sei reiner Zufall gewesen. »Du hast nach mir gesucht?«
    »Ja, doch. Wegen meines Dads, verstehst du.« Sie kratzte sich am Arm und vermied es, mich anzusehen. »Wusstest du das denn nicht?«
    »Darüber habe ich nie nachgedacht«, erwiderte ich zögernd. »Ich hab angenommen, dass ich dich einfach nur an deinen Dad erinnere. Dass du deswegen nach mir gesucht hast, wusste ich nicht.«
    »Ist doch auch egal. Wir haben ja so oder so über meinen Dad gesprochen.« Sie hob den Kopf und sah mich kurz an. »Willst du mir nicht den Ball zuwerfen?«
    »Stimmt schon, ist egal«, sagte ich, aber es war nicht egal, obwohl ich beim besten Willen nicht darauf kam, warum nicht.
    »Nun wirf schon«, sagte sie.
    Ich stand wie angewurzelt da, während mein Mund immer trockener wurde. »Dann hast du mich also nur benutzt, um meine Selbstmordgeschichte zu hören, ja?«
    Am Himmel zogen sich dunkle Wolken zusammen. Auch in meinem Innern wurde es immer finsterer.
    Nicki schüttelte den Kopf. »Nein, so war das …«
    Ich pfefferte den Ball in ihre Richtung. Sie riss den Arm hoch und der Ball knallte in ihren Handschuh. Sie zog ihn aus und schüttelte die Hand. »Hey, willst du mir die Finger brechen?«
    »Was sagen die Leute denn sonst noch über mich?«
    »Nichts.« Sie bewegte die Finger hin und her.
    »Wirst du ihnen von der Nacht in der Garage erzählen? Dass ich es in meiner Lahmarschigkeit noch nicht mal fertiggebracht habe, den Zündschlüssel umzudrehen?«
    Sie trat auf mich zu, und ich machte einen Schritt zurück, weil ich ihre Nähe nicht ertragen konnte, ebenso wenig wie die Vorstellung, dass ich ihr vorhin erlaubt hatte, mich anzufassen. Die schwüle Luft machte mir das Atmen schwer.
    »Was ist denn los?«, fragte sie.
    »Ich mag es nicht, wenn die Leute diesen Scheiß über mich wissen.«
    Die Baumwipfel bewegten sich im Wind hin und her. Nicki streckte die Hand nach mir aus. Der unangenehme Geruch meines Schweißes stieg mir in die Nase. Nicki schien er erstaunlicherweise nicht zu stören. Als sie mir mit den Fingerspitzen über den Arm strich, zuckte ich zurück.
    »Fass mich nicht an.«
    »Ryan, du benimmst dich wie ein Idiot. Hör mir doch mal zu.«
    »Ich bin ein Idiot, weil ich dir all diesen Scheiß erzählt habe.« Ich brauchte unbedingt eine Dusche unter dem Wasserfall, brauchte das Getöse, den Schlag ins Gesicht, wenn ich meinen Kopf zurücklegte, um das Wasser auf mich niederprasseln zu lassen. »Warum gehst du nicht zu deinen Freunden, um dich mit ihnen über mich lustig zu machen? Erzähl ihnen, dass ich wie ein Blöder am Wasserfall rumhänge und nicht den Mumm hatte, den Zündschlüssel umzudrehen.«
    »Ryan …«
    »Und dass ich zu viel rede, vor allem mit den falschen Scheißleuten.«
    Sie erstarrte.
    »Geh nach Hause. Gleich fängt’s an zu regnen.«
    Ein kalter Wind blies durch die Bäume und wehte ihr das Haar in die Augen. Ihre Shorts, die zum Trocknen auf der Brüstung der Terrasse lagen, flogen davon. Die Farne und die Büsche, die um unser Haus wuchsen, wurden vom Wind nach unten gedrückt. Nicki blickte zum Himmel hoch.
    »Wir sind noch nicht fertig miteinander«, sagte sie, als wäre sie ein Cowboy, der sich zu Highnoon für eine Schießerei verabredete. Sie warf Ball und Handschuh auf die Erde und schnappte sich ihre Shorts. Dann rannte sie in den dunklen Wald, auf das heranziehende Unwetter zu.

7
    Kurz nachdem Nicki gegangen war, klatschten dicke Regentropfen auf die Erde. Ich schob die Küchenfenster hoch, um den frischen Regengeruch reinzulassen. Als ich die Tür zur Terrasse öffnete, fegte der Wind herein, wehte eine Zeitschrift vom Couchtisch und riss eine Vase vom Küchentresen. Die Vase ging zu Bruch, ohne dass Wasser ausfloss, da Mom nie Blumen hineintat.
    »Ryan!« Meine Mutter kam hereingerannt, um alle Fenster und Türen zuzuknallen. Sie mochte es nicht, wenn Luft von draußen reinkam, da diese voller Schmutz und Pollen war, sondern zog gefilterte Luft vor. »Was um Himmels willen soll denn das?«
    »Ich wollte das Haus durchlüften.«
    »Die Klimaanlage ist doch an. Was ist bloß los mit dir?«
    Der Regen pladderte aufs Dach, gegen die Fensterscheiben und auf die

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