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Atme nicht

Atme nicht

Titel: Atme nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer R. Hubbard
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aufrichtig zueinander. Normalerweise.
    »Vergiss es.«
    Ich war drauf und dran, aufzustehen und das Haus zu verlassen, doch dann fiel mir ein, dass ich auf Nicki warten musste. Scheiße. Warum hatte ich Val bloß angefasst? Warum zum Teufel hatte ich nicht die Klappe gehalten?
    »Ryan.« Sie legte mir die Hand auf den Arm, doch diesmal sprang kein Funke über wie damals in der Klinik, als sie mich beim Handgelenk gepackt hatte. »Ich hab dich wirklich gern.«
    O Gott, der Ich-hab-dich-gern-Spruch – der Trostpreis, weil sie eigentlich meinte: Aber ich liebe dich nicht .
    »Red lieber nicht weiter«, sagte ich.
    Sie nickte.
    Wenn man im Patterson Hospital etwas lernte, dann, dass man die Klappe halten musste, wenn der andere es wünschte. Das hatten wir oft genug durchexerziert, auch bei Jake.
    Am liebsten wäre ich im Erdboden versunken, als hätte es mich nie gegeben. Doch gleichzeitig wollte ich so lange wie möglich bei ihr bleiben, auch wenn sie mich so verletzt hatte, dass ich mich fragte, wie ich die Rückfahrt überstehen sollte. Ihre Finger, die auf meinem Arm lagen, waren voller Schwielen und ziemlich kräftig, was vom Musizieren kam, und von mir aus hätten sie ewig dort liegen bleiben können. Wie konnte man bloß so mitleiderregend jämmerlich sein?

13
    Mit Nicki war erst in einer halben Stunde zu rechnen. Die Zeit bis dahin verbrachte ich im Wohnzimmer, wo ich krampfhaft versuchte, mich mit Val und ihrer Mutter zu unterhalten. Als Dr. Ishihara merkte, dass die Gesprächspausen immer länger wurden, schlug sie Val vor, etwas zu spielen. Ich war kurz davor, ihr zuzustimmen, denn dann hätte ich wenigstens nichts mehr sagen müssen, doch ich wusste, es würde mir den Rest geben, wenn ich Val jetzt spielen hörte. Und da ich es vermeiden wollte, mich vor ihren Augen in meine Bestandteile aufzulösen, sagte ich: »Val hat doch vorhin schon geübt, sie ist bestimmt müde.«
    »Stimmt«, meinte Val. »Meine Arme tun mir weh. Außerdem möchte Ryan die Lieder bestimmt nicht noch einmal hören.«
    Nach weiterem ausgiebigen Schweigen machte ich die brillante Bemerkung, dass der Himmel sehr bewölkt sei. Die zwei bestätigten meine Beobachtung.
    Als Nicki endlich aufkreuzte, sprang ich erleichtert von der Couch und lief ihr entgegen. Vals Mutter erkundigte sich nach der imaginären Cousine, und Nicki sagte, es ginge ihr gut. Ich dankte den Ishiharas für den Lunch und manövrierte Nicki, ohne Val ein einziges Mal anzusehen, zur Haustür hinaus.
    Nachdem wir in den Truck gestiegen und losgefahren waren, hielt ich so lange durch, bis Vals Haus außer Sicht war, weil ich nicht wusste, ob wir vom Fenster aus beobachtet wurden. Dann beugte ich mich nach vorn und rammte meine Stirn mehrmals gegen das Armaturenbrett.
    Nicki bremste. »Ryan!«
    Ich stöhnte.
    »Wie ich sehe, hattest du keinen Erfolg.«
    Ich sagte nichts. Was hätte ich auch sagen sollen.
    »Also, dann ist sie einfach dumm.« Nicki nahm einen großen Schluck aus einem Plastikbecher mit Eistee, den sie sich irgendwo gekauft hatte, als sie allein herumgelaufen war.
    Ich setzte mich gerade hin und legte den Sicherheitsgurt an. »Fahr weiter.«
    Erst spritzten nur ein paar Regentropfen auf die Windschutzscheibe, dann fing es an zu schütten. Die Reifen zischten über den Asphalt. Nicki konzentrierte sich auf die Straße.
    Mir schoss durch den Kopf, dass die Situation nicht ganz ungefährlich war, aber eigentlich war es mir egal, ob wir auf die Gegenfahrbahn gerieten oder in einem Graben landeten – zumindest was meine Person betraf. Ich wollte jedoch nicht, dass Nicki was passierte. Es gefiel mir, wie sie mit beiden Händen am Steuer vorgebeugt dasaß und durch die regengepeitschte Scheibe nach draußen starrte.
    »Du kannst wirklich gut fahren«, sagte ich.
    »Wie ich dir schon erzählt habe, können wir das alle. Wir haben früh damit angefangen und keiner von uns hat je einen Strafzettel bekommen.« Sie biss sich auf die Lippe. »Allerdings mache ich mir langsam Sorgen um Kent. Ich meine, weil er jetzt so oft high ist. Früher oder später wird er sich in dem Zustand auch ans Steuer setzen.« Sie warf mir einen kurzen Blick zu. »Glaubst du, er ist zu oft high?«
    Ich sah vor mir, wie Kent auf der Schultoilette Joints rauchte, mit glasigem Blick im Lesesaal saß und am Wasserfall kiffte. »Er ist eigentlich jedes Mal, wenn ich ihn treffe, high.«
    Sie seufzte.
    Der Regen ließ nach. Jetzt, da das Eis gebrochen war, redete Nicki in einem fort – über

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