Atme - wenn du kannst!
mucksmäuschenstill zu sein und den Männern zu lauschen. Das war das Beste, was sie momentan unternehmen konnte.
Ein Kerl in einem roten T-Shirt griff in die Kühltasche und wollte sich ein Bier aufmachen. Aber ein bulliger Blonder mit eng zusammenstehenden Augen schlug ihm auf die Hand.
„Aua! Spinnst du, Bruce?“
„Ich? Du bist nicht ganz dicht, Todd. Oder hast du schon wieder vergessen, dass wir nachher noch einen Tauchgang machen wollen? Solange ich hier der Boss bin, wird nur nüchtern getaucht. Ich lasse mir kein Vermögen durch die Lappen gehen, nur weil ihr unter Wasser besoffen seid.“
„Als ob ich bei einem einzigen Bier die Kontrolle verlieren würde“, maulte Todd, griff jetzt aber doch lieber zu einer Cola. „So ein Bier, das merke ich doch überhaupt nicht.“
„Darüber wird nicht diskutiert“, bestimmte Bruce. „Nick, Jaime und Zachary sind auch meiner Meinung. Wenn du erst mal deinen Anteil an der Beute hast, dann kannst du eine ganze Brauerei leer trinken. Aber bis es so weit ist, werden wir stocknüchtern zum Wrack der Seahawk tauchen. Wenn alles klappt, dann sind wir schon in wenigen Tagen steinreich.“
Die anderen drei Männer nickten zustimmend. Nun wusste Emily genau, dass sie es mit Raubtauchern zu tun hatte. Aber wo hatte sie den Schiffsnamen Seahawk schon einmal gehört? Emily zerbrach sich den Kopf, und dann fiel es ihr wieder ein. Das war der Segler der amerikanischen Marine gewesen, auf dem Andys Vorfahre Jeremias Jackson gegen die Piraten gekämpft hatte. Der Gedanke an Andy gab ihr einen Stich. Hoffentlich hatte er den Hurrikan gut überstanden! Emily kämpfte ihre Besorgnis nieder und konzentrierte sich erneut auf den Wortwechsel zwischen den Verbrechern.
Todd schien immer noch sauer zu sein, weil ihm sein Bier vorenthalten wurde.
„Na, hoffentlich finden wir die Seahawk nun auch endlich mal! Seit Monaten grasen wir den verfluchten Meeresboden ab, und bisher haben wir in der Schatzlotterie nur Nieten gezogen. Bist du denn sicher, dass sich wirklich das erbeutete Piratenvermögen an Bord befand?“
„Sicher?“, spottete Bruce. „Um sicher zu sein, müsste ich bloß beim Marineministerium in Washington anrufen: ‚Ladys und Gentlemen, ich möchte mich gerne an einem Schiff der amerikanischen Marine bereichern. Bitte geben Sie mir die genaue Position der gesunkenen Seahawk, damit ich mir Werte unter den Nagel reißen kann, die dem amerikanischen Staat gehören.‘“ Er stieß einen verächtlichen Laut aus. „Mann, die werden begeistert sein und mir sofort mit Rat und Tat zur Seite stehen.“
„Verschaukeln kann ich mich alleine“, knurrte Todd. „Ich hab ja nur gefragt, weil wir hier schon so lange unsere Zeit vergeuden.“
„Du kannst jederzeit gehen, wenn es dir nicht passt“, erwiderte Bruce scharf. „Außerdem haben wir schon so einiges aus der Tiefsee geholt, was uns einen schönen Gewinn eingebracht hat. Wenn du deinen Beuteanteil immer sofort in Miami Beach auf den Kopf haust, dann ist das nicht meine Schuld.“
„Okay, okay“, wiegelte Todd ab. „Ich meinte ja nur …“
„Außerdem“, fuhr Bruce fort, „ist da auch immer noch die leidige Konkurrenz oder irgendwelche Neugierigen, die uns in die Quere kommen. Darf ich dich an diese Motorjacht Fortuna erinnern, die kurz vor dem Hurrikan unseren Kurs gekreuzt hat?“
Todd lachte.
„Ja, denen sind unsere blauen Bohnen nur so um die Ohren geflogen. Zuerst dachte ich schon, sie würden uns entkommen. Aber dann hat der Wirbelsturm uns wohl die Arbeit abgenommen. Jedenfalls war der Kahn dann irgendwann nicht mehr auf unserem Radar zu sehen. Ein Glück nur, dass wir dem Hurrikan um Haaresbreite entkommen konnten.“
In ohnmächtiger Wut presste Emily die Lippen aufeinander. Vor ihr saßen also die Kriminellen, die eiskalt auf sie und auf die übrigen Menschen an Bord der Fortuna gefeuert hatten! Aber wo war die Motorjacht der Verbrecher? Weshalb waren sie mit einem Schlauchboot hierhergekommen? Höchstwahrscheinlich war das Wasser vor dem Strand so flach, dass die Jacht an einer anderen Stelle weiter draußen ankern musste. Das war zumindest die einzige Erklärung, die Emily auf Anhieb einfiel. Ob sie irgendwie auf das Boot der Raubtaucher gelangen und von dort aus Hilfe rufen konnte? Aber vielleicht befanden sich noch mehr Verbrecher an Bord. Bevor Emily etwas unternahm, wollte sie die Männer lieber noch länger belauschen. Je mehr Einzelheiten sie erfuhr, desto besser konnte es für sie
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