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Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition)

Titel: Atmen, bis die Flut kommt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Rothmaier
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Brühwürfel eine Bouillon zuzubereiten, es half nichts. Als sie Fieber bekam und mir nichts mehr einfiel, rief ich meine Großmutter an, die mir klarmachte, dass ich Paule ins Krankenhaus oder die Reise abbrechen und sie zurückbringen musste. Sie schickte mir Geld und wollte, sobald wir in einer Großstadt wären, Flugtickets besorgen, ich sollte mich täglich melden und sagen, wie es um uns stand. Gegen Paules Willen bettete ich sie auf die Rückbank des alten Ford, den wir in Antalya gekauft hatten, und fuhr los. Alle paar Kilometer hielt ich an, öffnete den hinteren Wagenschlag, und Paule erbrach sich, ohne auszusteigen, in den Straßengraben. In fabrikneue Mineralwasserflaschen füllte ich Salz und Zucker und zwang sie, kleine Schlucke davon zu trinken.
    »Weißt du«, sagte sie bei einem unserer Stopps und ließ erschöpft die Flasche sinken, »ich will nicht zurück, auf keinen Fall zurück. Ich will abhauen mit dir. Einfach weiterfahren und immer weiter. Weißt du. Ein neues Leben.« Sie versuchte zu lachen, schloss die Augen. Das feuchte Haar klebte an ihrem Kopf, ich konnte ihre Schädelform sehen, ihr knochiges Gesicht, in dem die Augen groß und dunkel leuchteten.
    »Schschscht«, sagte ich, »nicht sprechen. Streng dich nicht an.«
    Doch sie sah mich mit einem Blick an, der mich still werden ließ, denn auf einmal merkte ich, dass das keiner ihrer seltsamen Späße war, dass es ihr ernst war. Dass sie nicht zurück wollte nach Zürich, in die Schweiz, zu ihrem Studium und ihrem Leben dort.
    »Mich neu erfinden«, sagte sie. »Ich will eine andere werden oder die, die ich wirklich bin. Verstehst du, die, als die ich gedacht bin.« Wieder schloss sie die Augen, ich hielt ihr die Flasche an die Lippen, und sie trank. »So oft komme ich mir wie eine Hülse vor. Ein leeres, ausgeleertes Etwas. Ein Vakuum hier«, sie deutete auf ihr Brustbein, das sich rasch hob und senkte. » Mit dir, Konrad, verstehst du? Mit dir, dachte ich, kann ich es schaffen. Weggehen. Woanders leben. Du und ich. Wir selbst sein. Du du und ich ich. Lass uns weiterfahren. Irgendwohin. Nur nicht zurück. Einfach nicht zurück.« Sie seufzte, und jetzt sah ich, dass sie weinte. Große Tränen rannen über ihre Schläfen und versickerten in ihrem Haar. »Bring mich dahin, wo wir die sein können, die wir sind, Konrad.« Sie sah mich mit ihrem dunklen Blick an, und in diesem Moment wusste ich, dass ich sie liebte. Dass ich überall mit ihr hingegangen wäre, sie überallhin begleitet, ja gebracht hätte. Dass ich ihr überallhin gefolgt und jeden Unfug mitgemacht hätte. Doch ich wusste auch, dass sie mich verachten würde dafür und dass ich mit ihr weiterfahren, sie in ein Krankenhaus oder nach Hause bringen musste.
    Obgleich ich Tag und Nacht fuhr, brauchten wir fünf Tage bis Erzurum, wo wir in einem Hotel in der Nähe des Flughafens zwei Tage auf einen Flug nach Ankara warteten. Von dort wurde Paule, die inzwischen delirierte, mit einem Krankentransport in die Schweiz gebracht, hospitalisiert, untersucht und an den Tropf gehängt.
    Paule erholte sich nur langsam, brauchte Wochen, bis sie wieder bei Kräften war. Bei einem meiner Besuche im Krankenhaus erfuhr ich beiläufig vom behandelnden Arzt, dass sie schwanger war. Sie selbst hatte es mir nicht gesagt, und auch von dem jungen Arzt hätte ich es nicht erfahren, hätte er sich nicht verplappert.
    Nicht von mir, war mein erster Gedanke, das Kind kann nicht von mir sein, doch Paule war in der achten Woche, und es gab keinen Zweifel, dass es auf unserer Reise gezeugt worden war. In der Zikadennacht. Von mir. Es war meines. Obwohl: Sie war in der Piratenbucht lange bei den Freaks am Feuer gesessen, während ich schon schlief. Und morgens war der Platz neben mir oft leer. War sie überhaupt da gewesen in der Nacht? War sie mit dem Langen aus Detmold mitgegangen, der mit aufgesteckten Haaren und im schmuddelig weißen Gewand stundenlang am Kiesstrand stand und aufs Wasser sah, oder mit dem Jungen auf dem Surfboard? Mit dem schmächtigen Studenten, der nackt am Strand lag und Sloterdijk las? Ich ging zu ihr ins Krankenzimmer und fragte sie unumwunden. Warum sie mir nichts gesagt habe. Von wem das Kind sei. Sie antwortete, das sei ihr gleich, sie wolle es ohnehin nicht haben. Sie habe mit den Ärzten darüber gesprochen, es wegmachen zu lassen, es sei noch nicht zu spät, sie wisse im Übrigen nicht, wie es mit uns, ob es mit uns weitergehe, sie wolle allein sein, ich solle sie nicht mehr

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