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Atomgewicht 500

Atomgewicht 500

Titel: Atomgewicht 500 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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dabei unaufhörlich weiter. Clayton schaute nach unten und sah in der Tiefe den Saint-Clair-See dahinziehen, zurückbleiben und verschwinden. Er blickte nach vorn und sah einen kupferroten Ball über die Kimme im Osten heraufkommen. Die Sonne ging auf. In ihren Strahlen schimmerte es tiefblau wie ein weites Meer. Sie hatten den Eriesee erreicht.
    „Wohin fliegen wir, Doktor Wandel?” fragte Clayton.
    „Nicht mehr weit, Clayton. Bald werden wir am Ziel sein. Wollen Sie das bitte nehmen?”
    Der Doktor schob Clayton das eine Gefäß zu, bekam dadurch die Hand frei und setzte das andere behutsam vor sich auf den Boden. Er warf einen schnellen Seitenblick auf Clayton.
    Der saß jetzt wirklich wie hypnotisiert da. Mechanisch umklammerten seine Hände das Gefäß, mit weitgeöffneten Augen starrte er geradeaus in die Sonne.
    Ich halte den Tod im Arm — hart und zwangsläufig hämmerte der Rhythmus dieser sechs Worte in seinem Gehirn und bannte alle andern Gedanken. Vorsichtig nahm ihm der Doktor das Gefäß aus den Händen und stellte es neben das andere.
    „Noch höher!” rief er Schillinger zu. „Viertausend Meter müssen wir haben.” Sein Auge folgte dem Blick des Zeigers, bis dieser die Zahl viertausend erreicht hatte.
    „Hier kreisen, Schillinger!”
    Der Pilot befolgte das Kommando. Während das Flugzeug über dem weiten See in Alpenhöhe einen Kreis beschrieb, griff Dr. Wandel in seine Taschen. Ein Etui brachte er zum Vorschein, in dem, auf weiche Watte gebettet, Ampullen aus hauchfeinem Glas lagen, die mit einer beweglichen, silbrig schimmernden Flüssigkeit gefüllt waren.
    Er nahm die Deckel von den beiden mit dem gefährlichen Stoff gefüllten Gefäßen. Mit größter Behutsamkeit, als fürchte er, jeden Augenblick die feine Glashaut zu zerdrücken, tat er in jedes eine dieser Ampullen und legte die Deckel wieder auf.
    „Was wird das, Doktor Wandel?” fragte Clayton.
    „Zünder für den Sprengstoff, Clayton. Jetzt ist der Tod sehr nahe. Berührt die Flüssigkeit den Stoff, dann explodiert er.” Wieder griff Dr. Wandel in seine Taschen und holte ein paar Bindfäden heraus, beugte sich nieder und band die Deckel auf den Gefäßen fest. Richtete sich wieder empor und riß das Fenster an seiner Seite auf.
    „So, Clayton, jetzt sind wir soweit. Ein Sturz aus dieser Höhe — beim Aufschlag aufs Wasser müssen die Ampullen splittern.”
    Noch während er es sagte, ergriff er das eine Gefäß, schleuderte es zum Fenster hinaus und ließ ihm das andere folgen. Die Uhr in der Hand, beugte er sich vor, um den Absturz beobachten zu können, und zählte laut, während der Zeiger von Sekunde zu Sekunde sprang. Eine Ewigkeit schien es Clayton zu währen und dauerte doch nicht viel länger als eine Minute.
    „Zweiundsiebzig... dreiundsiebzig... es ist geschehen, es hat gezündet”, sagte Dr. Wandel und steckte seine Uhr ein. „Jetzt explodiert's da unten — sehen Sie, Clayton.”
    Er zog den andern zu sich hin. Der blickte in die Richtung, die er ihm wies, und sah tief unten weiße Nebel über dem Wasser wallen. Eben noch klein und unscheinbar, jetzt schon viel größer und mächtiger. Mit Windeseile lief es nach allen Richtungen hin über das Wasser und lag bald wie eine schwere Wolkenbank darüber. Auch aus der Höhe, in der das Flugzeug kreiste, waren die Ufer des riesigen Sees nur an wenigen Stellen sichtbar. Dort wurde jetzt schon das Gestade vernebelt, und über die Ufer hinaus krochen die Dampfmassen landeinwärts weiter.
    „Was haben Sie getan, Doktor Wandel? Der ganze See kocht!” rief Clayton. Der Doktor lächelte.
    „Eine Täuschung, Clayton. Er kocht nur an der Stelle, an der der Stoff explodierte. Die frei gewordene Wärme braucht Zeit, sich über die Wassermassen zu verteilen.”
    „Aber die Dampfmassen, Doktor! Sehen Sie doch hier unter uns, da steigt es ja immer höher.”
    „Da kocht es auch mächtig, Clayton. Bedenken Sie, zweihundert Billionen Kalorien! Das muß schon einigen Dampf geben, solange die Energie noch geballt ist. Aber es wird nicht lange so bleiben. Es wird sich bald über die ganze Wassermasse verteilen.”
    „Und dann, Doktor Wandel, was wird die Folge sein?”
    „Nichts von Bedeutung, Mr. Clayton. Die Rechnung geht gut auf.”
    „Was für eine Rechnung, Doktor Wandel?”
    „Eine sehr einfache, mein lieber Clayton. Zweihundert Billionen Kalorien wurden durch die Explosion dort unten frei, zwölfhundert Billionen Liter enthält der Eriesee. Auf sechs Liter Wasser

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