Atomgewicht 500
Ausblick auf eine bewaldete Hügelkette, vor ihnen dehnte sich die weite Wasserfläche.
Interessiert hörte Joe Schillinger an, was ihm Dr. Wandel über die Ereignisse der letzten Tage erzählte, aber er zog die Brauen hoch, als er die letzte Neuigkeit erfuhr.
„Oh, Doktor, das tut mir leid um Sie”, meinte er besorgt, „es war doch ein feiner Job bei der United. Warum haben Sie sich die Stellung nicht gehalten?”
„Weil es so nicht weiterging, mein lieber Schillinger. Sie waren ja neulich selber mit dabei. Ist das noch ein haltbarer Zustand, wenn man seine Versuche heimlich bei Nacht und Nebel wie ein Dieb machen muß?”
„War nicht schön, Doktor. Ich will's Ihnen zugeben, aber Sie haben damals Erfolg gehabt. Danach hätte doch alles gut werden müssen!”
„Sie unterschätzen die Niedertracht Ihrer lieben Mitmenschen. Zur Zeit spielt sich bei der United etwas ab, ich weiß nicht, ob ich's ein Trauerspiel oder eine Posse nennen soll. Jedenfalls habe ich keine Lust, dabei mitzuwirken. Ich ziehe es vor, mir die Dinge mal von draußen anzusehen.”
Schillinger schüttelte den Kopf. „Draußen sind heute viele in den Staaten, mein lieber Doktor, die brennend gern einen Job hätten. Haben Sie wenigstens was anderes in Aussicht? Sie erwähnten früher mal Verhandlungen mit der Dupont Company.”
Dr. Wandel zog ein Schriftstück hervor. „Bitte sehr, Mr. Schillinger, Sie dürfen den Vertrag lesen, den die Dupont-Leute mir bieten. Es hängt nur von mir ab, ob ich ihn annehmen will.” .
Schillinger griff danach und begann ihn durchzulesen. Mit jeder Seite, die er las, wurde er vergnügter.
„Großartig ist das! Ganz famos haben Sie das gemacht, Doktor”, sagte er, als er damit zu Ende war. „Sie passen in die Staaten.”
„Das ist noch nicht so ganz 'raus, mein lieber Schillinger”, meinte Dr. Wandel nachdenklich. „Der Vertrag da”, er deutete auf das Schriftstück in Schillingers Hand, „liest sich ganz gut, aber für mich hat er doch einige Schönheitsfehler.”
Schillinger las den Vertrag noch einmal durch und warf ihn auf den Tisch.
„Ich kann nichts Bedenkliches oder gar für Sie Nachteiliges finden, Doktor. Die Company will Sie sofort mit einem sehr anständigen Gehalt einstellen und sichert Ihnen einen hohen Anteil am wirtschaftlichen Ertrag Ihrer Entdeckungen zu. Was wollen Sie noch mehr?”
„Dasselbe, was ich bei der United hatte, Mr. Schillinger. Alle Patente, die auf meine Entdeckungen genommen werden, sollen mir gehören.”
Schillinger schüttelte den Kopf. „Ich fürchte, mein lieber Doktor, das werden Sie dort nicht durchsetzen.”
„Ich werde es bei der Company auch durchsetzen oder auf den Vertrag verzichten, Mr. Schillinger. Die Welt ist groß genug.”
Joe Schillinger griff nach seiner Kaffeetasse. Als er sie wieder absetzte, fragte er unvermittelt:
„Erinnern Sie sich noch unserer ersten Unterredung, Doktor, als Sie vor einem guten halben Jahr nach Detroit kamen? In großen Umrissen sprachen Sie mir von Ihren Absichten. Ich fragte Sie, weshalb Sie es nicht lieber versuchten, Ihre Pläne in Deutschland zu verwirklichen. Sie wichen meiner Frage damals aus, heute möchte ich sie wiederholen.”
„Und ich, mein lieber Schillinger, will versuchen, Ihnen darauf so gut zu antworten, wie es mir heute möglich ist. Der Autoklav, den Sie bei der United gesehen haben, ist erst ein bescheidener Anfang...”
„Na, ich danke, Doktor!” unterbrach ihn Schillinger. „Das stählerne Ungeheuer — an dreihundert Tonnen hatte der Apparat — das nennen Sie bescheiden?”
„Bescheiden klein und kümmerlich im Vergleich zu dem, was noch kommen muß, mein Lieber. Was sind vierzigtausend Grad Wärme und hunderttausend Atmosphären gegenüber den Verhältnissen, unter denen sich die Materie im Innern der Sonne befindet! Verzehnfachen — vielleicht verhundertfachen muß ich die Werte, wenn ich mein Ziel erreichen will.”
„Sie schweifen ab, Doktor”, unterbrach ihn Schillinger, „warum machen Sie das alles nicht in Deutschland?”
„Ihre Frage ist schnell beantwortet, Mr. Schillinger. Weil ich die für meine Versuche erforderlichen großen Mittel in Deutschland viel schwerer auftreiben könnte als hier in den Staaten. Es dreht sich dabei um Dollarmillionen. Die amerikanische Industrie ist eher in der Lage, solche Summen für Versuche aufzubringen als die deutsche. Das ist der einfache Grund dafür, daß ich meine praktischen Arbeiten hier in den Staaten begonnen habe und
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