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Atomgewicht 500

Atomgewicht 500

Titel: Atomgewicht 500 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Dominik
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plötzlichen Zerfall zurückgelassen hat. Das wird vielleicht noch einige Tage glühen und Hitze ausstrahlen und dann von selber zur Ruhe kommen.”
    Lee Dowd machte eine abwehrende Bewegung. „Wie denken Sie sich das, Doktor? Es ist ausgeschlossen, daß wir die glühenden Massen hier tagelang in der Nähe unserer Werkbauten dulden können. Wenn unsere eigenen Mannschaften nicht damit fertig werden, wird uns die Stadtverwaltung die Feuerwehr von Salisbury auf den Hals schicken.”
    Dr. Wandel zuckte die Schultern. „Dann kann ich Ihnen nur empfehlen, Mr. Dowd, diese unerbetene Hilfe wieder nach Hause zu schicken. Es genügt vollständig, wenn unsere Werkfeuerwehr ein paar Brandwachen aufstellt, solange das Zeug da drüben noch glüht. Ich schätze, daß der ganze Spuk in achtundvierzig Stunden zu Ende ist. Entschuldigen Sie mich jetzt, Mr. Dowd. Wir haben wichtigere Dinge zu tun. Kommen Sie, Mr. Slawter, wir wollen in Ihr Büro gehen.”
    Verdutzt blickte Dowd den beiden nach, und köpfschüttelnd kehrte er in das Direktionsgebäude zurück. — Wenn dieser Doktor so weiter feuerwerkt, dann kann es hier ja noch ganz lustig werden, ging es ihm durch den Kopf. Er kannte den wahren Zusammenhang der Dinge ja nicht und hielt das Ganze für ein verunglücktes Experiment Dr. Wandels.
    Erst gewisse Nachrichten in den Abendzeitungen sollten ihn in dieser Meinung wankend machen.
    Um die gleiche Zeit ungefähr, zu der Dr. Wandel, von Slawter gefolgt, über den Werkhof in Salisbury lief und das Büchschen mit dem strahlenden Kristall auf die Halde warf, ging Joe Schillinger von seinem Landhaus am Saint-Clair-See zum Autowerk hinüber. Weithin glänzte die Seefläche im Licht des sonnigen Frühlingstages. Bis zum Horizont hin, wo Wasser und Himmel zusammentrafen, war die Sicht klar. Als er den Stichkanal erreichte, der vom See her in das Werkgelände einschnitt, verhielt er den Schritt. Was war das? Weiße Nebel stiegen von der Wasserfläche des Kanals auf, ballten sich dichter und immer dichter zusammen. Schon waren die Werkbauten jenseits des Kanals nicht mehr zu sehen — und jetzt wallte das Wasser im Kanal empor, als ob es zum Kochen käme.
    Schillinger spürte, wie die Nebelmassen, die auf ihn zuströmten, erst warm, dann heiß wurden, und hatte plötzlieh das Gefühl einer großen Gefahr. Mit jähem Ruck wandte er sich um, lief den Weg zurück, auf dem er gekommen war, und merkte bald, daß er um sein Leben rannte. Längst war es kein Nebel mehr, sondern siedend heißer Dampf, der hinter ihm herströmte. Er stolperte, stürzte, raffte sich wieder auf und jagte mit keuchenden Lungen weiter, bis endlich — er wußte nicht, ob Minuten oder Stunden vergangen waren — die heißen Schwaden um ihn herum lichter wurden, bis er endlich wieder frei atmen konnte und blauen Himmel sah. Da blieb er stehen, schaute zurück und erblickte hinter sich, dort, wo etwa einen halben Kilometer entfernt der Kanal lag, ein überwältigendes Schauspiel. Wie der Ausbruch eines mächtigen Dampfvulkans war es anzuschauen, wie ein wallendes Wolkengebirge ragte es dort von der Erde bis hoch in den Himmel hinein, und in tausend Reflexen spielte das Sonnenlicht darauf.
    Wie gebannt hingen die Blicke Schillingers an dem bizarren Spiel der Dampfmassen, die ihre Gestalt in jeder Sekunde wechselten, in jedem Augenblick neue Formen bildeten und sich nun in schwindelnder Höhe loslösten und als Wolken langsam über den See dahinzogen. Immer mehr verhüllten sie das Blau des Himmels und dämpften das Sonnenlicht, während die Minuten verrannen.
    Eine Viertelstunde mochte vergangen sein. Schon lag eine schwere Wolkendecke bis zum Horizont über dem See, da wurde das Kochen und Brodeln in dem Kanal allmählich schwächer. Weniger wild stiegen die Dämpfe zum Himmel empor.
    Ebenso plötzlich, wie der Ausbruch einer elementaren Naturkraft dort eingesetzt hatte, schien er auch wieder abzuebben. Immer lichter wurde die Nebelbank über der Kanalbrücke, schon schimmerten hier und dort wieder die Umrisse der Werkbauten vom andern Ufer her durch.
    Was war das? Immer wieder legte Joe Schillinger sich die Frage vor, und immer wieder liefen seine Gedanken bei dem Versuch, eine Antwort darauf zu finden, zu jenem Nachmittag zurück, an dem er mit Dr. Wandel vor dessen Abreise nach Salisbury auf dieser Kanalbrücke stand. Des langen und breiten erkundigte sich der Doktor damals nach der Schiffahrt in dem Stichkanal. Dann ging er zu seinem Auto und kam mit einem kleinen

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