Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
gebaut. Darin befanden sich drei dampfbetriebene Pochwerke, die das Erz zerkleinerten und den Silbergehalt um das Zehnfache erhöhten; und schließlich die Schmelzerei selbst. Alle drei Betriebsstätten erzeugten Abraum, soll heißen: riesige Felshaufen, wobei die Erzabfälle auf der Vermessung als riesige Halden aus Bruchstein und Kies deutlich erkennbar waren. Das Abfallerz aus all diesen Betriebsstätten enthielt giftige Mineralien und Bestandteile, die ins Grundwasser einsickerten. Doch es war der letzte Abraum – der aus der Hütte –, der wahrhaft tödlich war.
Die Stafford-Hütte hatte das Washoe-Amalgamierungsverfahren eingesetzt, bei dem in der Schmelzerei das zerkleinerte, konzentrierte Silbererz weiter zu einer Paste zerkleinert wurde, wobei verschiedene Chemikalien hinzugefügt wurden, darunter dreißig Kilo Quecksilber pro Tonne Erzkonzentrat. Das Quecksilber löste das Silber, legierte damit, und die so entstandene schwere Paste setzte sich auf dem Boden der Auffangwanne ab, wonach der Abfallschlamm, der obenauf schwamm, entsorgt wurde. Das Silber wurde durch das Erhitzen der Legierung in einer Retorte und das Abscheiden des Quecksilbers gewonnen, das mittels Kondensation zurückgewonnen wurde, so dass schließlich Rohsilber übrig blieb.
Das Verfahren war nicht effizient. Bei jedem Durchlauf gingen rund zwei Prozent des Quecksilbers verloren. Das musste irgendwo entsorgt werden, und dieses »Irgendwo« befand sich in den riesigen Abraumhalden, die ins Tal gekippt wurden. Pendergast rechnete das Ganze rasch im Kopf durch: Ein zweiprozentiger Verlust entsprach ungefähr einem halben Kilo Quecksilber auf jede Tonne verarbeitetes Erzkonzentrat. Die Schmelzerei verarbeitete täglich hundert Tonnen Konzentrat. Hochgerechnet bedeutete dies, dass täglich fünfzig Kilo Quecksilber in die Umwelt gekippt wurden – in den knapp zwei Jahrzehnten, in denen die Schmelzerei in Betrieb war. Quecksilber war eine außerordentlich giftige, gesundheitsschädliche Substanz, die bei Menschen, die ihr ausgesetzt waren, im Laufe der Zeit schwere und dauerhafte Hirnschäden verursachen konnte – vor allem bei Kindern und in einem größeren Maß bei Ungeborenen.
Das alles lief auf eines hinaus: The Heights – oder zumindest der Teil das Baugebiets, das in dem Tal erschlossen worden war – befand sich im Grunde auf einer Giftmülldeponie, zweifellos mit einer hochgiftigen Wasserschicht darunter.
Als er diese Anfangsdokumente zurücklegte, kam in Pendergasts Kopf alles zusammen. Er begriff alles mit großer Klarheit – alles –, einschließlich der Brandstiftungen.
Nun ging er etwas rascher diejenigen Dokumente durch, die sich auf das damalige Baugebiet selbst bezogen. Der Flächennutzungsplan sah vor, dass die riesigen Abraumhalden die schmale Schlucht füllen und so den breiten, attraktiven Talboden schaffen sollten, der heute existierte. Das Clubhaus war unmittelbar stromabwärts von der Stelle errichtet worden, an der die alte Schmelzerei gestanden hatte, und auch ein Dutzend größerer Wohnhäuser lagen im Tal. Henry Montebello, die treibende Kraft hinter dem Bauprojekt, hatte das Ganze verantwortet: den Abriss der Schmelzerei-Ruine, die Veränderungen des Geländes, die Ausbreitung des Abraums zu einem schönen breiten, ebenen Areal für das untere Baugebiet und das Clubhaus. Und seine Schwägerin Mrs. Kermode hatte auch führend daran mitgewirkt.
Interessant, dachte Pendergast, dass Montebellos Villa auf der anderen Seite der Stadt lag und Kermodes Haus hoch oben am Hang erbaut war, weit entfernt von der kontaminierten Zone. Sie wie auch die anderen Angehörigen der Familie Stafford, die hinter der Erschließung von The Heights standen, mussten von der Verseuchung mit Quecksilber gewusst haben. Ihm ging auf, dass der wahre Grund für den eigentlich unnötigen Neubau des Clubhauses samt Spa auf dem alten Friedhof darin lag, es aus der Zone der Verseuchung herauszuholen.
Pendergast nahm sich einen braunen Aktendeckel nach dem anderen vor, blätterte in Dokumenten, die sich mit den ursprünglichen Grundstücksteilungen und den Planungen des Vereins befassten. Die Grundstücke waren groß – mindestens 10 000 Quadratmeter – und folglich nicht an das kommunale Wassernetz angeschlossen: Jedes Grundstück verfügte über einen eigenen Brunnen. Die Häuser, die auf dem Talboden lagen, wie auch das ursprüngliche Clubhaus, mussten ihr Wasser aus Brunnen direkt aus der mit Quecksilber kontaminierten
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