Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
der Polizeichef die Stirn.
Chivers schluckte. »Eine der Leichen ist die einer … jugendlichen Person, die … an ein Bett gefesselt, mit Brandbeschleuniger überschüttet … und in Brand gesteckt wurde. Eine weitere wurde verbrannt in … in …«
Während Chivers sich bemühte, die Worte auszusprechen, erschlafften die Gesichtszüge des Polizeichefs. Aber Chivers nahm das kaum wahr, denn seine Welt verdüsterte sich gerade.
Und schließlich sackte er, gerade als er den Satz beenden wollte, zusammen und fiel in Ohnmacht.
14
C orrie war vor Sonnenaufgang aufgestanden, hatte ihre Geräte zusammengesucht und war hinauf nach Roaring Fork gefahren. Jetzt, kurz vor zwölf, hatte sie sich im Lagerschuppen in den Heights niedergelassen und war mit ihrer Arbeit schon weit vorangekommen. Sorgfältig angeordnet lagen die sterblichen Überreste von Emmett Bowdree auf einem Plastikklapptisch, den sie bei Wal-Mart gekauft hatte, unter dem Licht zweier lichtstarker Studiolampen. Sie hatte ihr Stereozoom-Mikroskop aufgestellt und mit ihrem Laptop verbunden. Der Bildschirm zeigte den Blick durchs Mikroskop. Ihre Nikon stand auf dem Stativ. Es war himmlisch, sorgsam und gründlich arbeiten zu können, ohne halb verrückt zu werden vor lauter Angst und Sorge, im nächsten Augenblick entdeckt zu werden.
Es gab nur ein Problem: Sie fror sich den Hintern ab. Es war unter null gewesen, als sie die lange Fahrt von Basalt begann – denn Pendergasts Angebot, doch im Hotel Sebastian zu übernachten, hatte sie abgelehnt. Um Geld zu sparen, hatte sie aufs Frühstück verzichtet, und inzwischen war ihr nicht nur kalt, sondern sie schob auch noch Kohldampf. Zu ihren Füßen hatte sie ein billiges Elektroheizgerät aufgestellt, aber das Ding ratterte und brummte, und der warme Luftstrom schien sich binnen Zentimetern aufzulösen. Er schaffte es gerade, ihre Schienbeine zu wärmen, aber mehr auch nicht.
Trotzdem: Nicht einmal die Kälte und der Hunger konnten ihre zunehmende Aufregung über das Gefundene dämpfen. Beinahe alle Knochen wiesen Traumata in Gestalt von Kratzspuren, stumpfen Schnitten oder Rillen auf. Keine der Spuren zeigte Anzeichen für eine Degeneration, Entzündung oder Granulation des Knochens – was bedeutete, dass die Verletzung um den Zeitraum des Todes zugefügt worden war. Das weiche, spongiöse beziehungsweise schwammige Knochengewebe zeigte unverkennbare Bissspuren, aber nicht die eines Bären, sondern eines Menschen, nach dem Radius des Gebisses und dem Zahnprofil zu schließen. Tatsächlich waren weder die Spuren von Zähnen noch die von Klauen eines Bären zu erkennen.
Im gebrochenen Oberschenkelknochen und im Schädel hatte sie noch mehr Hinweise auf kratzende und furchende Bewegungen entdeckt, was darauf hindeutete, dass das Knochenmark und die Gehirnmasse mit einem Metallgegenstand herausgepult worden waren. Unter dem Stereomikroskop enthüllten diese Spuren der Entfleischung einige sehr undeutliche parallele Linien, eng zusammenliegend, und etwas, das wie die Ablagerungen von Eisenoxid aussah – was vermuten ließ, dass das Werkzeug aus Eisen bestand und dass es sich höchstwahrscheinlich um eine abgenutzte Feile handelte.
Der erste Schlag auf den Schädel war definitiv mit einem Stein ausgeführt worden. Unter dem Mikroskop hatte sie ein paar winzige Fragmente davon gewinnen können, die sich nach einer kursorischen Untersuchung als Quarzgestein herausstellten.
Der Brustkorb war aufgespalten und ebenfalls mit einem Stein auseinandergebogen worden, so als wollte man an das Herz herankommen. Die Knochen zeigten keinerlei Hinweise auf Schädigungen, die von einer scharfen Kante zugefügt worden waren – wie zum Beispiel einer Axt oder einem scharfen Messer –, und es waren auch keine Verletzungen zu erkennen, die mit einer Schusswunde übereinstimmten. Das verwirrte sie, denn die meisten Bergarbeiter der damaligen Zeit waren zweifellos entweder mit einem Messer oder einer Pistole bewaffnet gewesen.
Der zeitgenössische Zeitungsbericht über die Entdeckung von Emmett Bowdrees Leichnam ließ darauf schließen, dass seine Knochen auf dem Boden verteilt hundert Meter hinter der Tür einer Hütte gefunden wurden; er sei von dem sogenannten Bären »fast vollständig verspeist« worden. Dabei ging der Zeitungsartikel, vielleicht aus Gründen des Feingefühls, nicht besonders ins Detail, was genau gegessen worden war oder wie die Knochen entnommen worden waren, nur hieß es darin, dass in einer
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