Attack Unsichtbarer Feind: Ein neuer Fall für Special Agent Pendergast (German Edition)
»Ironisch, nicht wahr?«
»So viel Gewalt und Not.«
»Stimmt«, fügte Corrie mit leiser Stimme hinzu, »allerdings finde ich nichts, das auf eine Bande von kannibalischen Serienmördern hinweist.«
»Ich auch nicht.«
»Aber die Hinweise sind da, irgendwo. Sie
müssen
es sein. Wir müssen sie einfach nur finden.«
Stacy zuckte mit den Achseln. »Glaubst du, es könnten diese Ute-Indianer oben in dem Canyon gewesen sein? Sie hatten ein gutes Motiv. Die Bergbaufirmen haben ihnen ihr Land gestohlen.«
Corrie überlegte. Ungefähr zu der Zeit, hatte sie gelesen, hatten die White-River- und die Ucompahgre-Ute Widerstand gegen die Weißen geleistet, die sie westwärts durch die Rocky Mountains zurückdrängten. Der Konflikt gipfelte im White-River-Krieg des Jahres 1879 , als die Ute schließlich aus Colorado vertrieben wurden. Schon möglich, dass einige Indianer, die vor dem Krieg flüchteten, sich nach Süden durchgeschlagen und sich an den Bergarbeitern von Roaring Fork gerächt hatten.
»Daran hab ich auch schon gedacht«, sagte sich schließlich. »Aber die Bergarbeiter wurden nicht skalpiert – das Skalpieren hinterlässt charakteristische Spuren. Und ich habe gelernt, dass bei den Ute ein Riesentabu gegen Kannibalismus herrschte.«
»Wie bei den Weißen. Aber vielleicht haben sie die Weißen ja deshalb nicht skalpiert, weil sie ihre Identität verschleiern wollten.«
»Kann sein. Aber die Morde waren von hoher Qualität. Was ich damit sagen will«, fügte Corrie hastig hinzu, »es wurde dabei nicht schlampig und planlos vorgegangen. Es kann nicht leicht sein, einen gerissenen, abgehärteten Colorado-Bergmann zu überfallen, der seinen Claim bewacht. Ich bezweifle, dass Ute aus einem Armutslager diese Morde hätten durchführen können.«
»Was ist mit den Chinesen? Unfassbar, wie schrecklich sie behandelt wurden – so als hätte man sie als Untermenschen angesehen.«
»Daran habe ich auch schon gedacht. Aber wenn das Motiv Rache war, warum die Opfer
verspeisen?
«
»Vielleicht haben die Täter das Verspeisen nur vorgetäuscht, damit es so aussah, als seien die Opfer von einem Bären gefressen worden.«
Corrie schüttelte den Kopf. »Meine Untersuchungen zeigen, dass die Täter das Fleisch tatsächlich verzehrt haben – roh. Und da wäre noch eine Frage: Warum haben sie plötzlich aufgehört? Welches Ziel hatten sie erreicht – wenn überhaupt?«
»Eine wirklich gute Frage. Aber es ist ein Uhr, und ich weiß nicht, was mit dir ist, aber ich habe einen solchen Hunger, dass ich selbst ein paar Bergarbeiter verspeisen könnte.«
»Gehen wir Mittag essen.«
Als sie aufstanden, um zu gehen, kam Ted herbei. »Sag mal, Corrie … ich wollte dich was fragen: Hättest du Lust auf ein Essen heute Abend? Dürfte kein Problem sein, einen Tisch zu reservieren.« Er strich sich durch die braunen Locken und sah sie lächelnd an.
»Sehr gern«, sagte sie, erfreut darüber, dass er trotz seiner Aufmerksamkeit für Stacy immer noch an ihr interessiert war. »Aber ich bin mit Pendergast zum Abendessen verabredet.«
»Oh. Na, dann eben ein andermal.« Er lächelte. Allerdings merkte Corrie, dass er eine gekränkte Miene nicht ganz unterdrücken konnte. Er erinnerte sie an einen kleinen Hund, und sie hatte einen Anflug von schlechtem Gewissen. Nichtsdestotrotz wandte er sich gutgelaunt an Stacy und zwinkerte ihr zu. »Nett, Sie kennengelernt zu haben.«
Während sie ihre Mäntel anzogen und in die kalte Winterluft hinaustraten, fragte sich Corrie, wohin eine zweite Verabredung mit Ted führen könnte. Denn eines stand fest: Es war lange her, seit sie einen Freund gehabt hatte, und ihr Bett in der Villa oben an der Ravens Ravine Road war sehr, sehr kalt.
32
E s war wie ein hartnäckiger Alptraum, der einen eine Nacht lang in Angst und Schrecken versetzte und in der darauffolgenden in noch bösartigerer Gestalt zurückkehrte. Zumindest kam es Chief Morris so vor, als er durch das ging, was vom Haus der Dutoits stehen geblieben war. Die schwelende Ruine lag an einem Bergrücken, mit weitem Blick auf die darunterliegende Stadt und den umgebenden Ring der schneebedeckten Berge. Er konnte es kaum ertragen: wieder auf mit Plastikband abgesperrten Fluren zu gehen, den gleichen Gestank nach verbranntem Holz, Kunststoff und Gummi zu riechen, die verkohlten Wände und Pfützen aus geschmolzenem Glas, die versengten Betten und von der Hitze geborstenen WC - und Waschbecken zu sehen. Und dann waren da noch die kleinen
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