Attentat auf Georgia
»Seit zwei Jahren wühle ich in lauter Schmutz — wie Kay es so reizend
formuliert hat. Zeigen Sie mir eine Berühmtheit, und ich zeige Ihnen, woher der
Gestank kommt.«
»Wollen Sie mich nicht mit
Paula Reid bekannt machen?« fragte ich mit ausgesuchter Höflichkeit.
Sie lächelte gequält. »Das habe
ich mir nun selber eingebrockt... Aber ich werde Ihnen lieber wen anderen
vorstellen, Leutnant. Sehen Sie den kleinen Mann dort drüben, den mit der
Zigarre und der Glatze? Das ist Emile Brocales.«
»Der Filmproduzent?«
»Der vielseitigste von allen.
Rechts von ihm steht seine jetzige Freundin, links von ihm sein jetziger
Freund.«
»Hat er da noch Zeit, Filme zu
machen?«
»Er muß Filme machen.
Wie soll er sonst alle die Erpresser bezahlen? Sehen Sie dort die Blondine mit
der unmöglichen Fassade?«
»Sie meinen, mit der
unwahrscheinlichen Fassade«, berichtigte ich.
»Nein, ich meine unmöglich«,
sagte sie entschieden. »Glauben Sie mir, ich weiß Bescheid. Eines Morgens bin
ich in ihr Badezimmer spaziert, um mich zu vergewissern. Sie kam aus einem Haus
in Mexiko zum Film. Ein Jahr hat es gedauert, bis man ihr die Unsitte abgewöhnt
hat.«
»Rauschgift?
Paula schüttelte den Kopf.
»Sooft ein Mann sich von ihr verabschiedete, streckte sie ihm die offene Hand
hin.«
»Und auf welche Weise hat man
sie geheilt?« fragte ich voller Neugier.
»Sie ließ sich schließlich
davon überzeugen, daß ein Scheck mit der Post mehr wert ist als Bargeld auf die
Hand... Haben Sie Chet Turner bemerkt?«
Ich wandte leicht den Kopf und
sah mir den Herrn an. Wie hätte man dieses Profil nicht wiedererkennen sollen?
Die schwarzen Brauen, den schmalen schwarzen Schnurrbart, die blitzenden weißen
Zähne, das krause, fast üppige schwarze Haar...
»Er braucht nur zu lächeln, und
das Publikum fällt in Ohnmacht«, sagte ich. »Sonderbar, daß ich ihn übersehen
habe.«
»In Hollywoodkreisen heißt er
nur >Der zerlegbare Turner<«, sagte Paula Reid.
»Weil er bereits sechsmal
verheiratet war?«
»Eigentlich siebenmal. Aber
nicht das hat ihm seinen Spitznamen eingetragen. Es handelt sich um seine
physischen Reize. Die sind nämlich alle abnehmbar.«
»Ich verstehe kein Wort«, sagte
ich.
»Die Haare, die Zähne — alles
läßt sich abmontieren. Nachher sieht man einen fünfundfünfzigjährigen Mann vor
sich, den das Leben ordentlich angenagt hat. Wenn er dann auch noch sein Mieder
ablegt, ist es vollends aus.«
»Die Märchenwelt der
Silberleinwand!« sagte ich. »Sie vergiften mir die schönsten Erinnerungen.«
»Ein verrücktes Metier«, sagte
Paula Reid ungerührt.
»Ausgeübt von lauter
Verrückten. Wenn sie nicht von Anfang an verrückt sind, dann sind sie es zum
Schluß.«
»Sie sollten ein Buch
schreiben. Falls sich jemand finden sollte, der es druckt, wird es eine
Millionenauflage haben.«
»Das Buch wird geschrieben«,
erklärte sie, »und es wird eine Millionenauflage haben, und die Verleger werden
sich darum reißen, es herausbringen zu dürfen. Nichts ist erfolgreicher als
Schund und Schmutz. Wußten Sie das nicht, Leutnant?«
»Nein, aber ich beginne
zuzulernen.«
Wieder sah sie sich nach allen
Seiten um. »Mal sehen — ich bin überzeugt, daß wir noch einige interessante
Figuren finden werden... Der auf dem Stuhl dort! Die Hopfenstange mit den
langen Haaren und der randlosen Brille. Dieses malvenfarbene Hemd läßt sich
kaum übersehen, Leutnant, wenn man sich auch noch soviel Mühe gibt; habe ich
recht?«
»Wohl kaum. Ist er
farbenblind?«
»Er ist ein Genie«, erwiderte
Paula Reid vorwurfsvoll, »aber wie sollten die Leute das merken, wenn er
genauso gekleidet wäre wie Sie, Herr Leutnant? Man würde ihn für einen
Polizeibeamten oder noch was Schäbigeres halten.«
»Ein Genie?«
»Ja. Schriftsteller. Wollen Sie
behaupten, daß Sie noch nie ein Südstaaten-Epos von Rockewell P. Rockewell
gelesen haben? Leutnant, wo leben Sie?«
»In der Wüste.«
»Seine Romane sind große
Erfolge gewesen, und sie sind preiswert — wenn man die Lektüre nach Gewicht
kauft. Sie umfassen nie weniger als siebenhundert Seiten.«
Ich schauderte.
»Da bleibe ich lieber bei den
gekürzten Ausgaben — man wird zwar aus dem Inhalt nicht schlau, hat sie aber
schnell durchgeblättert.«
»Rockewells Romane sind
entschieden lesenswert«, betonte sie. »Sie wissen, warum James Joyces Ulysses berühmt geworden ist?«
»Ist er das? Mir völlig neu.«
»Rockewell ist noch
unverständlicher als Joyce — mit
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