Attila - Die Welt in Flammen
mächtig aufloderte und eine große, erhabene Basilika zerstörte. Haben die Flammen jedoch die Basilika am Ende verzehrt und vernichtet, bis nur noch Asche zurückbleibt, vergeht auch das Feuer, da es nichts mehr hat, was ihm Nahrung gibt. Sein Verlangen fraß ihn alsbald von innen her auf, löste eine immer unersättlichere Begierde nach mehr aus, die an die Stelle seines jugendlichen Stolzes und Feuers trat. Doch wenn nur mehr blinde Begierde das Handeln bestimmt, noch dazu in Verbindung mit der sturen, unerbittlichen Rachsucht des Alters, kann dies die schlimmsten Übel nach sich ziehen.
* * *
Nach nur zwei Tagen ließ Aëtius die Kolonne gegen Abend haltmachen. Er sah sich um. In der Ferne hinter uns war die vornübergesunkene Gestalt Vigilas’ mit seinem Sack zu erkennen. Er rührte sich nicht mehr. Aëtius wendete sein Pferd und galoppierte zu ihm, und ich sah, wie er sich vom Sattel aus hinunterbeugte, den Sack an sich nahm und auf seinem Schoß ruhen ließ. Vigilas rollte auf der Straße zur Seite und blieb reglos liegen. Nach kurzer Überlegung ließ Aëtius den Sack wieder auf die Straße fallen und kam zu uns zurückgeritten. Keiner von uns erhob Einwände gegen seine Entscheidung. Uns allen war bewusst, dass dieses Gold ein Danaergeschenk gewesen wäre, wie einst zu Agamemnons Zeiten:
Timeo Danaos …
Sollte irgendein Bauer den Sack finden und diesen reichen Schatz bei Mondlicht unter einer Eiche vergraben, um später im Alter davon zehren zu können.
Unsere Rückreise war lang und anstrengend. Nachdem Vigilas uns nicht länger aufhielt, ritten wir in hohem Tempo und mit nur kurzen Unterbrechungen dahin. Unterwegs mussten wir noch in der kleinen Stadt Azimuntium haltmachen und die Kaiserin in unsere Obhut nehmen, danach könnten wir uns hinter den gewaltigen Theodosianischen Mauern der Hauptstadt in Sicherheit bringen. Dort endlich, bemerkte ich, würden wir sicher sein.
«Sicher?», entgegnete Aëtius scharf. «So sicher wie ein Kaninchen in seinem Bau, vor dessen Eingang ein riesiger, gefräßiger Wolf lauert, dessen übelriechender Atem bereits den Bau verpestet. Wie sicher ist das, was meinst du?»
Ich zog es vor, zu schweigen.
* * *
Nachdem wir die Ebenen in stetem Galopp durchquert hatten, der unseren schweißbedeckten, heftig an der Trense speichelnden Pferden das Letzte abverlangte, ritten wir hinauf in die kühleren Ausläufer des Haemusgebirges und dann in noch höhere Gefilde, wo Edelweiß zwischen den Felsen blühte. Wir stießen auf einen kristallklaren Gebirgsbach, an dem unsere Reittiere ihren Durst stillen konnten. Sie wieherten freudig, tranken sich gründlich satt und hoben dann die Köpfe, merklich erfrischt. Wir verfügten über edelste Schimmel aus dem kaiserlichen Gestüt, wahrhaft prachtvolle Tiere, und ritten in einer Kolonne, an deren Spitze sich Aëtius und die Prinzen Theoderich und Thorismund befanden. Der Horde unzähliger Feinde, die uns auf den Fersen war, hätte unsere kleine Gruppe nichts entgegenzusetzen vermocht; immerhin kamen wir sehr schnell voran.
In unserem Rücken befanden sich über eine Million wilde Reiterkrieger, so hieß es, mochten derlei Gerüchte über die Anzahl der Feinde in der Regel auch zehnmal zu hoch angesetzt sein. Aëtius’ Einschätzung nach bestand Attilas Streitmacht aus einhunderttausend Mann, mithin immer noch die größte Schar von Feinden, der Rom sich seit siebenhundert Jahren, seit den Tagen Hannibals, gegenübergesehen hatte. Und wie stand es nach diesen siebenhundert Jahren um die Stärke Roms? Nicht gut.
Was unsere ritterliche Mission in Azimuntium betraf, hielt Aëtius sich auffallend bedeckt. Er hatte die Kaiserin so lange nicht mehr gesehen, seit fünfzehn Jahren, kam das hin? Das war vor vielen Schlachten und Feldzügen gewesen. In dieser Zeiteinheit nämlich maß er sein Leben, nicht nach Jahren, sondern nach Schlachten. Vor zu vielen Schlachten hatte er sie einmal geküsst, auf einem Balkon mit Blick auf die Goldene Stadt Jerusalem. Aber das war wie in einer anderen Welt gewesen.
* * *
Unser Weg führte uns durch dichte Kiefernwälder, die in seltsam gedämpftes, schummriges Licht getaucht waren. Die Pferde schnaubten unruhig, während unter ihren Hufen die trockenen Kiefernnadeln knackten. Die Männer klopften ihnen beruhigend auf die Hälse, obwohl ihnen selbst nicht ganz geheuer zumute war. Solche Wälder gab es in ihrer Heimat nicht. Wälder, das bedeutete für sie Dunkelheit, Hexerei und
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