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Attila - Die Welt in Flammen

Attila - Die Welt in Flammen

Titel: Attila - Die Welt in Flammen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Napier
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Licht der Sonne ausgelöscht wird wie eine Kerzenflamme und das gesamte Universum sein natürliches und vorbestimmtes Ende findet, wird dieses Wesen fortbestehen und in seiner erhabenen, ewigen Einsamkeit weiterbrüten, ganz so wie schon vor der Erschaffung der Welt.»
    «Nun sei still und geh», brummte Aëtius unter seiner Decke, der zwar so tat, als würde er bereits schlafen, tatsächlich aber dem Narren zuhörte, von dessen Worten eine seltsam bezwingende Macht ausging. Und der Vogelfänger hatte uns noch mehr zu sagen.
    «Ein jeder Mensch hat seine eigene Wahrheit, die in seinem Herzen liegt und die auch mit beredsamen Worten und Argumenten nicht umgeformt werden kann, um sie in Einklang mit einer anderen Wahrheit zu bringen. Da gab es einmal ein Vogelnest, das Nest einer Lerche, ein kleines, unbeachtetes Ding, und ich bin versehentlich daraufgetreten, und als ich das Knacken hörte, sah ich hinab und erblickte ein kleines Durcheinander aus Nest und Blut und Federn und den winzigen, zerdrückten Formen ungeborener Küken. Ein ganz kleines Ding. Da geschah es, dass Christus in mir starb, um niemals wieder aufzuerstehen.»
    Einige der Wolfskrieger blickten ihn scharf an. Das war Gotteslästerung. Aber der Narr nahm ihre Blicke gar nicht wahr.
    «Diese zerbrochenen Eierschalen. Der Wind in den Bäumen. Der mitleidlose Himmel. Nichts veränderte sich. Nichts war von Bedeutung. Kein Trost wurde mir oder dem Vogel zuteil. Ich kratzte mir die Überreste der Eier und winzigen Küken von den Stiefeln – denn damals trug ich noch Stiefel wie ein Mensch –, schob sie zu einem Häuflein zusammen, bedeckte sie mit Erde und segnete sie, und dann ging ich weiter. Christus aber ging nicht länger an meiner Seite und ist seither auch nicht mehr zu mir zurückgekehrt. Seit jenem Tag bete ich nicht mehr zu Christus und bin auch kein Missionar des heiligen Chrysostomos mehr, ausgesandt in die Wildnis, um die skythischen Heiden zu taufen, sondern nur noch ein einfacher, einsamer Mensch, ein Vogelmensch, ein Verrückter.
    Und eines nicht allzu fernen Tages werde auch ich auf einem Ast sitzen und von einem gefangen werden, der weit größer ist als ich, von dem ältesten und größten Gott von allen, dessen geräumiger Weidenkorb niemals je gefüllt werden kann und bis in alle Ewigkeit nach mehr und immer mehr verlangen wird, ganz gleich, was alles hineingetan wird. Der Tod ist eine Pforte, so viel ist gewiss. Fragt sich bloß, wohin genau?» Er lächelte und zwinkerte listig. «Manche Türen führen auch ins Nirgendwo.»
    Danach hatten alle von dem Verrückten genug. Aus Sorge, sein wirres Geschwafel könnte an diesem dunklen, unbehaglichen Ort, auf dieser ungewissen Mission, die ihnen auch so schon genug Schimpf und Schande eingebracht hatte, am Ende noch Unheil auf sie bringen, trieben sie ihn mit ihren Speeren davon in die Wälder, verbunden mit der barschen Aufforderung, sich nicht noch einmal blicken zu lassen. Vor sich hin pfeifend wie ein Vogel bei Morgengrauen verschwand er in der Dunkelheit.

12. DER PASS
    D ie unheilvollen Worte des Vogelfängers wirkten auch tags darauf noch nach. Während wir in die Berge ritten, höher hinauf zu dem Pass, der uns nach Azimuntium führen würde, weit weg von den offenen Ebenen, wo unsere Feinde erneut zu Tausenden ihr Unwesen trieben und alles verwüsteten, trugen einige der Wolfskrieger bereits Bronzeharnische unter ihren langen roten Mänteln und hohe, schimmernde Spangenhelme mit wippenden, flachsfarbenen Helmbüschen. Die Luft war schwül und drückend, und wir hofften geradezu auf ein Gewitter, das die Atmosphäre endlich klären würde.
    Wir ritten stetig bergauf, in zunehmend karge und lebensfeindliche Regionen; unterwegs begegneten uns noch hie und da verkrüppelte Bäumchen, unter denen vereinzelt Schafe weideten, danach nur noch Dornengestrüpp und braun verdörrtes Heidekraut. Aus tiefen, felsigen Schluchten, in denen nichts außer lichtscheuen Farnen und Moosen gedieh, drang das Plätschern dunkler Gebirgsbäche herauf. Während wir durch eine schmale, vom Sonnenlicht kaum erhellte Klamm ritten, deren düster aufragende Wände mit Torfmoos und Hirschzungenfarn bewachsen waren, war nicht wenigen von uns mulmig zumute: Was, wenn wir hier in einen Hinterhalt gerieten? Aëtius aber zerstreute unsere Sorgen. In diese Gebirgsregionen würden sich die Hunnen kaum vorwagen, dazu war ihnen als Steppenkrieger, die an endlose Weiten gewöhnt waren, das Gelände zu fremd.
    Die

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