Attila - Die Welt in Flammen
erstarrte.
«Keine Zeit für Theaterposen, Zenturio», sagte Aëtius nüchtern. «Lauft los. Stellt überall auf den Zinnen Gefäße mit Wasser auf. Wir müssen in Erfahrung bringen, wo die Bastarde sich eingraben. An den Gefäßen können wir ablesen, wo sie gerade einen Pfeiler des Fundaments eingerissen haben und wo es zu einem weiteren Steinschlag kommen könnte.»
Er rief einen Läufer zu sich. «Lauf zur nördlichen Mauer. Bring die Hälfte der isaurischen Hilfskräfte und ihren Anführer, Zeno, hierher. So rasch wie möglich!»
Der Läufer rannte los.
Einem anderen Boten gab er den Befehl, die schwersten Gewichte, die aufzufinden waren – möglichst Säulentrommeln –, herbeizuschaffen und in Abständen auf den Mauern aufzustellen.
Einer der Belagerungstürme war ihnen gefährlich nahe gerückt, und ein zweiter näherte sich dem Graben nur ein Stück weiter südlich.
«Hier», sagte Aëtius und deutete auf den Holzturm direkt vor ihnen. «Konzentriert den Angriff ganz auf diesen hier. Stellt euch vor, das ist der Kopf, und schlagt ihn ab. Zielt genau darauf.» Er warf einen Blick zur anderen Seite hinüber. Die Wolfskrieger standen mit ihren Bogen bereit.
Der zweite Turm in der Nähe verhielt sich seltsam. Der gesamte vordere Abschnitt schien vornüberzukippen. Dann stellte Aëtius fest, dass dem tatsächlich so war: Er legte sich direkt über den Graben und bildete eine improvisierte Zugbrücke. Mit einem mächtigen Knall schlug die Brücke auf, Staub wirbelte empor. Die Männer im Innern verließen auf der Stelle die exponierte Position in dem künstlichen Turm, und hinter ihnen rückte eine Schildkröte heran, unter der bösartig ein bronzener Rammbock hervorblitzte. Aëtius beugte sich über die Mauern. Die improvisierte Zugbrücke war direkt auf das Sankt-Romanus-Tor gerichtet. Der Feind unterminierte die Mauer, erklomm sie und rammte sie also gleichzeitig. Es würde ein ereignisreicher Tag werden.
«Wo stecken die verdammten Räuber aus den Bergen?»
Er ließ der Zivilwache den Befehl erteilen, die Besatzung der Romanus-Türme aufzustocken. Diesem Rammbock musste Einhalt geboten werden. Ansonsten würden sie rasch ein Loch in die äußere und mittlere Mauer schlagen, um ihren Belagerungsturm hineinzufahren, direkt an die innere Mauer. Und dann steckten sie wahrhaftig in der
cloaca maxima.
Zeno erschien. Und diesmal salutierte er ganz vorschriftsmäßig.
«Nicht viel los auf deiner Seite?»
«Herr, Ihr habt da etwas von Grabungen erwähnt. Vermutlich bekommen wir das meiste davon ab, unter der Mauer von Blachernae.»
Aëtius nickte. Der Boden war dort im Norden, in der Nähe des Goldenen Horns, am weichsten. Woher wusste Attila das? Nun, er wusste eben alles.
Das Schlachtgetöse und die Rufe der in Schrecken versetzten Männer hinter ihnen wurden immer lauter. «Kennst du dich mit unterirdischen Gängen aus?»
«Ein wenig.»
«Es gibt einen Quergang von den Kellergewölben im Palast nach draußen, außerhalb der Mauern. Die Wachen werden es dir zeigen. Von dort musst du selbst weitergraben, nach rechts oder links, je nachdem, wo du glaubst, dass sie gerade am Graben sind. Verstanden?»
«Ja, Herr.»
«Ich denke nicht, dass die Hunnen viel vom Bergbau verstehen, aber man weiß ja nie. Und wir wissen nach wie vor nicht, wer im Augenblick ihre Verbündeten sind.» Ein massives Geschoss aus einem Onagerkatapult schlug ganz in der Nähe ein. Zeno zuckte zusammen. Aëtius nicht. Um sie herum wirbelte Staub, doch Aëtius brüllte nur: «Oder wer ihre verdammten Onager bedient! Und ich brauche dir nicht zu erklären, was passiert, wenn sie auch nur einen gut funktionierenden Tunnel in die Stadt hinein graben sollten!»
Zeno nickte. «Innerhalb einer Minute hätten wir hundert Hunnen hier drin.»
«Und mit jeder Minute kämen hundert hinzu. Es wäre, als hätte uns ein riesiges Geschütz getroffen. Es ist also wirklich entscheidend. Auf geht’s, finde den Tunnel, bringe alle darin um und schütte ihn wieder zu. Los!»
Das erste Grüppchen tätowierter Reiter galoppierte bereits johlend unten heran, sie schlängelten sich zwischen den riesigen Belagerungstürmen hindurch und ließen aufs Geratewohl kleine tödliche Pfeilschauer los.
Es war an der Zeit, sich zu wehren.
Aëtius schrie den Wolfskriegern einen Befehl zu, und sie schossen ihre Pfeile ab. Es war ein Hagel ohne bestimmtes Ziel, doch einer der Pfeile traf direkt, und ein Hunnenkrieger flog über den Kopf seines taumelnden
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