Attila - Die Welt in Flammen
brennen!»
* * *
Die wichtigsten Punkte der Verteidigung waren die Tortürme über dem niedrig gelegenen Lykus-Tal: das Militärtor V im Norden und weiter unterhalb das Charisius-Tor, das auf den Friedhof führte, weshalb es auch im Volksmund Polyandriou-Tor genannt wurde: «Tor der vielen Menschen». Viele Menschen gingen hindurch, aber nur in eine Richtung.
Südlich des Tals lag das Sankt-Romanus-Tor, und südlich davon das Militärtor IV . Das waren die entscheidenden Stellen, von denen aus die Belagerungstürme der Hunnen beim Heranrücken angegriffen und zerstört werden konnten, noch bevor sie ernsthaften Schaden anrichteten. Aëtius bezog am Militärtor V Stellung und sandte die Wolfskrieger hinunter, um die Mauern zu bemannen. Geschütze, die auf sie zuflogen, würden sie beizeiten sehen, erklärte er ihnen. «Also geht rechtzeitig in Deckung!»
Die Geschütze auf den beiden breiten Plattformen oben auf den Tortürmen waren die besten, die er hatte auftreiben können. Weniger wichtige Türme, vor allem die zum Blachernae-Palast hin, verfügten über keine Artillerie. Hier am Schwachpunkt des Lykus-Tals würden die Kämpfe am heftigsten sein. Jeder Torturm wies zwei Mehrfachgeschütze auf, zwei kleine, aber wehrhafte Onagerkatapulte und eine fein gearbeitete, quer gerichtete Schleuder, mit der man Felsbrocken, Kugeln oder sogar diese elenden neuartigen Feuertöpfe fortschleudern konnte, wenn es nötig war.
In einer halben Meile Entfernung wurden die Belagerungstürme von gefangenen Sklaven herbeigeschleppt; entbehrliches Fleisch. Berittene Hunnen galoppierten peitschenschwingend neben ihnen her. Attila wusste, dass sein Feind deutlich in der Unterzahl war, und würde daher auf breiter Front angreifen. Nicht weniger als zwanzig Belagerungstürme schoben sich unerbittlich auf die Mauern zu; halb verborgen hinter ihnen befanden sich Rammböcke unter steilen, schützenden Holzabdeckungen, den Schildkröten.
Eine tiefe, heisere Stimme kam von unten. «Darf ich bitte den Heermeister sprechen?»
Aëtius trat vor und blickte über die Zinnen hinweg nach unten. Es war Faustriemen, dieser Rohling. Er hatte sich mit einer Keule bewaffnet, die oben mit einer dicken Schicht Lötzinn versehen war.
«Herr, in Viminacium hatte der Feind seine Geräte ohne einen ausreichenden Schutz für die Räder aufgestellt. Vielleicht haben sie es noch nicht gelernt.»
Aëtius blinzelte in die untergehende Nachmittagssonne. Doch, sie hatten ihre Lektion gelernt. Er nickte dem bulligen Rheinländer zu. «Halte deine Keule bereit, Krieger. Du wirst sie brauchen.»
Er machte einen Schritt zurück und unterhielt sich leise mit den Männern an den Geschützen. Es waren keine Kämpfer, aber sie waren sehr behände und geschickt an ihren Geräten. Die Belagerungstürme rollten heran. Sie warteten, eine Art stummen Schrei in den Ohren. Ein junger Bursche wischte sich über die Oberlippe, die beinahe auf der Stelle wieder vor Schweiß glitzerte. Die Stadt hinter ihnen war gespenstisch still, Straßen und Foren lagen verlassen da, jeder war im Haus, kauerte dort, betete. Selbst der Kaiser, Gottes Gesalbter, kniete nieder und betete.
Auf der Mauer vor Aëtius stand eine Schale mit Wasser, ruhig wie ein Mühlenteich. Die Belagerungsmaschinen rumpelten heran; der Horizont war schwarz vor lauter Reitern; gleichgültig schien die Sonne auf alle herab. Auf diese seltsame Schlacht zwischen diesen winzigen Wesen dort auf der Oberfläche der Erde.
Plötzlich fiel ein Sonnenstrahl auf die Schale. Aëtius hielt den Atem an. Ein weiterer Sonnenstrahl, dicht daneben. Das Wasser kräuselte sich, gleichsam als Antwort auf eine geheimnisvolle unterirdische Erschütterung.
Die Schützen waren auf einmal zu Tode erschrocken. Ihre Hände zitterten, mit offenem Mund starrten sie sich entsetzt an.
«Oh nein, nicht schon wieder», murmelte einer von ihnen mit leiser, verzweifelter Stimme. «Nicht noch ein weiteres Beben. Das wäre unser Untergang!»
Der General war jedoch unheimlich ruhig. Er rief Tatullus zu sich.
«Siehst du irgendwelche Tiere, die in Panik geraten, Zenturio? Irgendwo Pferde, die durchgehen?»
Tatullus’ scharfe Augen suchten die Ebene zu ihren Füßen ab. «Nein, Herr.»
«Das dachte ich mir. Beruhigt euch, Männer. Kümmert euch um eure Geräte. Zenturio, verbreitet die Nachricht: Es ist kein zweites Beben. Aber freut euch nicht zu früh. Es bedeutet nämlich, dass die Hunnen sich unter den Mauern durchgraben.»
Tatullus
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